Ich fange dieses Thema mit meiner neuesten Errungenschaft an.
Ein Doppelhorn-Amboss, gestern erst gekauft. Mit Rund- und Vierkanthorn, die Bahn mit einem Vierkantloch.
Länge: 600 mm
Höhe: 260 mm
Bahnbreite:125 mm
Gewicht: 90 kg
Der bekommt in der nächsten Zeit erst einmal eine ordentliche Kur verpasst. Entrosten, das Vierkantloch frei machen und die Bahn "polieren". Dann muss er irgendwie noch aufgestellt werden.
Selbst schmiede ich (noch) nicht. Dennoch benötige ich hin und wieder eine stabile Unterlage zum Dinge richten. Die kleinen Behelfsambosse, die ich habe, eignen sich nur bedingt und das Herumklopfen auf dem Schraubstock hatte mir seinerzeit mein Opa schon verboten. Und: Haben und nicht brauchen ist immer besser als brauchen und nicht haben!
Warum ich überhaupt vom Schmieden begeistert bin?
Die ersten Wochen meiner Lehre war ich Helfer bei unserem Betriebsschmied. Das war im Winter 1984, da war ich gerade noch 16 Jahre alt. Meine Aufgabe war es, die verschlissenen Zinken aus den Eggen zu schrauben und in eine Sichtpalette zu werfen. Der Schmied nahm sie dort raus und schmiedete sie wieder spitz. Ich schraubte sie dann wieder in die Egge.
Das Geräusch des Hammers auf den Amboss ist heute noch eins meiner Lieblingsgeräusche. Leider hatte ich den Hammer selbst nie ausprobiert. War viel zu schüchtern um zu fragen.
Neben dem Betriebsschmied hatte ich dort auch einen Kollegen, der eine Ausbildung zum Kunstschmied absolvierte, aber nur Schlosserte und nur aushilfsweise die Schmiede betrieb. Was für eine Talentverschwendung. Ich hoffe nur, er hat wenigstens privat was geschmiedet.
Zwei Erinnerungen aus dieser Zeit:
1. In der Mitte unserer Schmiede stand ein großer Kanonenofen, der im Winter zusätzliche Wärme in die große und eiskalte Werkstatt bringen sollte. Oben drauf stand immer eine Kanne Tee. Dieser gusseiserne Ofen war der Länge nach gerissen, so dass sich der Qualm beim Anheizen immer direkt in der Schmiede verteilte. Dieser Qualm war stets so dicht, dass ich, um zu schauen wo sich mein Schmied befand, immer auf die Knie gehen musste. Denn die ersten 50 cm über dem Boden waren noch klar und so konnte seine Beine sehen.
2. Täglich, kurz vorm Frühstück, sagte der Schmied immer zu mir "Junge, komm mal her. Hier haste 'ne Mark fuffzich, hol mir vom Bäcker frische Brötchen und vom Fleischer zwei brühwarme Bockwürste". Einmal die Woche musste es, statt der Bockwürste, eine ganze Brühwurst sein. Stellt euch die leckeren Gerüche vor, früh am Morgen beim Bäcker und beim Fleischer. Die Wurst hatte noch die originale Brühtemperatur. Etwas Köstlicheres habe ich an Bockwurst seit dem nie wieder gerochen oder gegessen.
Der Schmied hieß Richard Nestroy. Eigentlich hatte er mehrere Vornamen, alle nach Königen benannt. Damit prahlte er immer. Nach einem Schlaganfall verbrachte er seine letzten Jahre im Rollstuhl. Das erfuhr ich vor einigen Jahren von seiner Nichte. Letztens kontaktierte mich seine Tochter, welche sich für meine Erinnerungen an ihm bei mir bedankte.
Nun weilt er auch schon viele Jahre nicht mehr unter uns. Setze ich ihm hiermit eben ein kleines Denkmal.