Polen, als Synonym für die verschiedenen polnischen Staatsgebilde seit dem Anfang ihres Bestehens, nimmt einen besonderen Platz unter den europäischen Nationen ein, wenn es um die geschichtliche Entwicklung, die Produktion und den Erhalt von Blankwaffen geht. Um diesem Spezialfall etwas gerechter zu werden, vor allem weil direkte Übersetzungen aus dem Polnischen spärlich sind, möchte ich mich hier diesem Thema zuwenden, den ein oder anderen Hinweis geben und häufige polnische Standpunkte beleuchten. Man kann derlei historische Aspekte nicht zufriedenstellend darstellen ohne zumindest marginal auf Schutzwaffen und Truppengattungen einzugehen, deshalb finden diese auch ihren Platz.
Naturgemäß sind Blankwaffen Teil des martialischen Wesens kultureller Gruppierungen die immer mindestens eine gegnerische Partei benötigen um eine Daseinsberechtigung zu haben und waren deshalb Gegenstand kritischer Beäugung, wenn sie erst einmal in eben jene gegnerische Hände fielen. Der Prozeß zog einerseits die Nachahmung, andererseits die Vernichtung dieser symbolischen Objekte nach sich. Vorausgesetzt, dass ein Staat besteht in dem bestimmte Traditionen der "Blankwaffenkultur" existieren und sich entwickeln können, ist der gegnerische Einfluss mehr oder minder vernachlässigbar. Anders hingegen, wenn der Staat und damit seine Blankwaffenkultur kompromittiert wird, im schlechtesten Fall gänzlich aufhört offiziell und unabhängig zu existieren. Dann wird es für den Forscher, Sammler und Bewunderer solcher Blankwaffentraditionen unübersichtlich und teuer.
Genau dies ist der Fall, wenn es um polnische Blankwaffen geht.
Um die polnische Blankwaffentradition verstehen zu können muss man sich zwangsläufig auch mit der Geschichte dieses Landes beschäftigen. Dies ist nicht annähernd in einem Format wie diesem Essay möglich und soll auch nicht Ziel sein, stattdessen wird dieser Sachverhalt auf das Nötigste runtergebrochen damit der interessierte Leser von der schieren Existenz gewisser Tatsachen in Kenntnis gesetzt wird und sich diese selbstständig nach Belieben in weiterführender Literatur zusammensuchen kann, notfalls mit modernen Mitteln der automatisierten Übersetzung.
Das Königreich Polen entstand um das Jahr 1000 herum und war bis in das Hochmittelalter geprägt von typisch europäischer Feudalkultur, die militärische Ausrüstung inbegriffen. Wir finden identische Schwerter und Rüstungen wie sie im Rest Mitteleuropas benutzt worden sind, oft aus Solinger oder Passauer, aber auch polnischer oder ordensstaatlicher Produktion. Die berittenen Krieger bestanden zumeist aus Rittern und deren Gefolgschaft in schwerer Panzerung, mit Lanzen und Schwertern bewaffnet oder berittenen Armbrustschützen, ganz im Stile der Zeit. Um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert began eine Episode vermehrter feindlicher Kontakte mit dem Großfürstentum Moskau und den Tataren, als Hauptantagonist ist hier Iwan III in den Jahren 1492 bis 1503 zu nennen.
B. Gembarzewski schrieb 1938 dazu:
"Diese Kavallerie [Anm.: der schwer gepanzerte Ritter] verlor an Bedeutung gegenüber einem mobilen Feind, der sich nicht an die Regeln der westlichen Ritterschaft hielt, Angriffe nicht ankündigte und man selber anfällig für Überraschungsangriffe war, was sich in der Niederlage bei Bukowina im Jahr 1497 so schmerzlich zeigte . Zweifellos führten diese Gründe zu der Notwendigkeit, eine leichtere Kavallerie zu schaffen, die mit Lanzen – Speeren – bewaffnet war, die in polnischen Händen immer sehr wirksam waren, insbesondere gegen einen mit solchen Lanzen selber unbewaffneten Feind, und mit krummen Säbeln und leichten Schilden. Es wurden ungarische Muster verwendet. Erstmals im [königlich polnischem] Steuerregister eingetragen um 1500 erscheint der Name „Husaren“ neben ungarischen und möglicherweise serbischen Nachnamen, d. h. Racowie, wie die Serben damals in Polen genannt wurden."
Die militärische Anpassung an die Kriegsführung von beispielweise Tataren, aber auch Osmanen und Moskauern brachte Länder wie das Königreich Polen oder früher noch Ungarn in eine Position in der sie erst einem Gegner mit gänzlich anderer Martialkultur stellenweise unterlegen waren, später jedoch militärtechnische Aspekte des Orients und Okzidents miteinander kombinierten und daraus Vorteile ziehen konnten. Das offensichtlichste Beispiel ist die schon angedeutete Transition der adeligen polnischen Reiterei weg vom traditionellen, schwer gepanzertem Lanzenkrieger. Wie jede organische Entwicklung vollzog sich diese Wandlung nicht binnen weniger Jahre sondern eher über mindestens ein Jahrhundert und brachte im weiteren Verlauf keine Kopie der leichten ungarisch-serbischen Reiterei hervor, sondern verband zum ersten Mal eine Panzerung mit der schnellen, reaktiven Kriegsweise der leichten Kavallerie. So entwickelten sich die klassichen polnischen Husaren, die Hussaria, welche einen der beiden Hauptäste in der Genealogie der Husaren darstellen und ihr eigentliches Vermächtnis ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an die Ulanen weitergaben, während die leichten ungarischen Husaren als der zweite Hauptast sich langsam über Österreich-Ungarn in andere Nationen verbreiteten und schließlich auch in Polen und etlichen anderen Staaten die "eigentlichen" Husaren wurden.
Zwischen den Jahren 1500 bis 1550 war eine Säbelform unter den Husaren dominant welche strikt über Ungarn aus den osmanischen Gebieten in Europa entlehnt wurde (siehe Abbildung). Außer dieser Form nutzte man mit hoher Wahrscheinlichkeit traditionsgemäß Schwerter, lange Messer als Pendant zum ungarischen Säbel und die ersten Karabelas als Weiterentwicklung der letzteren. An dieser Stelle sei der Hinweis gegeben, dass die Entwicklung des Karabelasäbels aus europäischen, v.a. böhmischen langen Messern die Meinung des Autors ist, basierend auf Vergleichen mit den jeweils ältesten Ikonografien und Belegstücken aus dem Okzident und Orient. Der Autor ist sich dessen bewusst, dass die These des orientalischen oder byzyntinischen Ursprungs des Karabelasäbels seine eingefleischte Anhängerschaft hat, jedoch sprechen die jedem Interessiertem vorliegenden Hinweise momentan für einen europäischen Ursprung und die fortwährende Wiederholung der Behauptung eines osmanischen oder persischen Ursprungs ist leider (sic!) noch lange kein Hinweis oder Argument für die Richtigkeit dieser Behauptung.
Erwähnenswert ist hierbei das osmanische Pendant aus dem 16. Jahurndert, der Deli, über den von Francois Sansovino im Jahre 1582 im Werk mit dem Titel: „Historia Universale dell‘ origine et imperio de Turchi“ geschrieben wird:
„Sie zeichnen sich durch herausragende Intelligenz, starken Körperbau und großen Mut aus. Ihre Spezialität ist der Eins-gegen-Zehn-Kampf. Sie genießen eine solche Anerkennung, dass es während des Krieges keinen Würdenträger oder Befehlshaber gibt, der für mehr Glanz nicht zumindest ein paar solcher Krieger aufstellen würde. Bevor man den genannten Namen [Anm.: also den eines Deli] erhält, muss man eine außergewöhnliche Tat nachweisen; aber diejenigen, die diesen Titel bereits erhalten haben, sind in der hier gezeigten Weise gekleidet. Auf dem Kopf tragen sie eine Kopfbedeckung im polnischen Stil, nämlich eine Giorgiana (Portano in capo un capello alias Polacca ouero alias Giorgiana) mit zahlreichen verschiedenen Federn, daher der Glaube, dass Federn ein wichtiger Schmuck mutiger Menschen seien. Sie tragen ein Leopardenfell auf dem Rücken, damit sie noch furchterregender aussehen, und sie bedecken ihre Pferde mit einem Löwenfell, und die Brust des Pferdes ist mit den Vorderbeinen des Löwen umwickelt, die hinten zu einem großen Knoten zusammengebunden sind. Für ein noch bizarres Aussehen sind die Haare und der Schweif des Pferdes gefärbt. Zu ihren Waffen gehören eine Lanze, ein schiefer [krummer] Säbel und ein mit Federn verzierter Schild, der ihm das Aussehen eines Flügels verleiht. Sie binden einen großen Schwanz an die Unterseite des Pferdeschwanzes, um Menschen und Pferde zu erschrecken."
Nun sind Husaren nur eine Truppengattung unter vielen und doch spielen sie eine übergeordnete Rolle im Prozeß der Analyse polnischer Blankwaffen, auf Grund des großen Prestigecharakters der in der Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft liegt. Anders als in vielen europäischen Staatsgebilden des Mittelalters und späterer Zeiten war der Adel in Polen, die Szlachta, keine zahlenmäßig marginale Gruppe die mit der gesellschaftlichen Spitze gleichzusetzen war.