B L A N K W A F F E N
DAS FORUM FÜR SAMMLER & INTERESSIERTE
unter dem Dach der
Deutschen Gesellschaft für Heereskunde e.V.
 
 
Autor Nachricht

Freizeitpreuße

(User)

Hallo verehrte Experten!

Noch bin ich ein interessierter Laie auf diesem Gebiet. Bislang beschäftigte ich mich eher mit alten deutschen Schriften (z. B. Fraktur, Kurrent...). Ich frage mich, welche Gründe davon abhingen, dass man den Säbel oder Degen bei der Infanterie führte.

Welche Vor- oder Nachteile ergeben sich bei diesen Waffen?

Säbel, ist nicht gleich Säbel. Vorallem die jüngeren Waffen (z. B. der bayerische M 1855) scheinen sich auch zum Stich zu eignen und wirken auf mich schnell führbar. Führte die Entwicklung eher zu einer Stichwaffe? Wurden die Infanteriesäbel durch Degen ersetzt? Scheibar gab es ja aber noch zur Weimarer Republik oder gar im dritten Reich Säbel, oder waren das nur Waffen für bestimmte Ausgeh-/Paradeuniformen?

Der preußische Infanteriedegen alter Art wurde 1889 durch das neue, schwerere Modell ersetzt. Was sind die Gründe?

Vielen Dank für die Beantwortung im Voraus!




Stoppt die Sprachpanscherei!
Stoppt Denglisch!
Bewahrt die Sprache der Dichter und Denker!
08.07.10, 21:41:57

Freizeitpreuße

(User)

Mmh, mag mir denn niemand antworten? traurig


Stoppt die Sprachpanscherei!
Stoppt Denglisch!
Bewahrt die Sprache der Dichter und Denker!
10.07.10, 21:39:56

Zietenhusar

(Hausmeister)

Zitat von Freizeitpreuße:
Ich frage mich, welche Gründe davon abhingen, dass man den Säbel oder Degen bei der Infanterie führte.
Bei der Infanterie spielte die blanke Waffe eine untergeordnete Rolle. Man kämpfte mit dem Gewehr. Bei den Offizieren waren die Degen ein Rangabzeichen, aus unserer Sicht nur schmückendes Beiwerk. Die Gemeinen führten kurze Seitengewehre für den eventuellen Nahkampf, vorrangig das Bajonett. Die Ausführung der Seitengewehre von Offiziere war von jeweiligen Potentaten abhängig.

Wenn man die Vor- und Nachteile zwischen Säbel und Degen (resp. Pallasch) diskutieren möchte, sollte man sich ganz allgemein bei der Kavallerie aufhalten.

Gruß,
Thomas

10.07.10, 23:00:22

Schwertfeger

(Mitglied)

Zitat von Freizeitpreuße:

Der preußische Infanteriedegen alter Art wurde 1889 durch das neue, schwerere Modell ersetzt. Was sind die Gründe?


Man wollte das nebeneinander von drei Seitenwaffen für die Offiziere der Truppen zu Fuß beseitigen und durch eine Einheitswaffe, die den militärischen Forderungen genügte, ersetzen.

Gruß

Schwertfeger


"Suum cuique" (Cicero: Jedem das Seine; Devise des Schwarzen Adler Ordens)
12.07.10, 20:09:09

Freizeitpreuße

(User)

Ich bedanke mich! Vielleicht mag noch jemand detailiertere Antworten geben.


Stoppt die Sprachpanscherei!
Stoppt Denglisch!
Bewahrt die Sprache der Dichter und Denker!
16.07.10, 23:41:54

Zietenhusar

(Hausmeister)

Der von Dir erwähnte bayerische M 1855, Freizeitpreuße, ist eine reine Offizierswaffe. Man kann damit zwar hauen und stechen, aber ob ein Gegner von so einem Leichtgewicht beeindruckt war, wage ich zu bezweifeln. Eine "ordentliche" Kampfwaffe ist ein Offiziersseitengewehr selten.

Die Entwicklungen von Säbel zu Degen (oder umgekehrt), also von der Möglichkeit des Hiebes zum Stich, ist bei der Infanterie zweitrangig. Der Infanterist hatte zum Nahkampf das Bajonett, bevorzugte beim gemeinsamen Vorgehen gegen den Feind also die Möglichkeit des Stichs, nachdem die Feuersalven erloschen. Es gab auch sogenannte Haubajonette, meine aber, daß bei dieser Art der Benutzung irgendwo auf der Achse zwischen Bajonettspitze und der Tülle irgendetwas auf der Strecke hätte bleiben können.
Der manchmal zusätzlich zur Ausrüstung eines gemeinen Infanteristen gehörende kurze Säbel, so im 18. und Anfang des 19. Jh., fand in der Regel keine Verwendung mehr. Er war eher lästig.
Die Infanterieoffiziere benötigten ihre langen Seitenwaffen, neben der Präsentation ihres Ranges, zum Geben von Zeichen auf dem Excerzier- oder Schlachtfeld. Eventuell wurde der Offiziersdegen noch bei der Verteidigung des eigenen Lebens, oder bei einer Ehrenstreitigkeit gebraucht, mehr aber nicht.
Unteroffiziere aus der Zeit vor dem 19. Jh. benutzten die sogenannten Unteroffizierskurzgewehre, das waren kürzere Stangenwaffen.

Wie ich oben schrieb, ist die Entwicklung von Klingen- und der damit einhergehenden Kampfformen viel besser an Kavallerie-Blankwaffen erklärbar. Jedenfalls könnte man es versuchen.
Bei der Kavallerie herrschte im Kampf zu Pferde der Hieb vor. Vorbild dafür waren die berittenen Krieger asiatischer und osteuropäischer Völker. Den Stich als Hauptanwendung erkannte man erst recht spät, so um 1800 in Westeuropa. Dazu benötigte man aber eine besondere Klingenkonstruktion, da sie schmaler und flexibler sein mußten als Säbelklingen. Einen wirklichen Vorteil des Stichs gegenüber dem Hieb kann ich nicht wirklich erkennen. Die Kämpfe mit und gegen Napoleon z.B. haben auch keine entscheidenen Unterschiede gezeigt. Wer gewann ist bekannt, aber schon damals waren Feuerwaffen schlachtenentscheidener als Blankwaffen. Jedenfalls waren die langen Mannschaftsblankwaffen mit geraden Klingen beidermaßen für den Hieb und den Stich geeignet und werden im deutschen Sprachgebrauch Pallasche genannt.

Ab ca. Mitte des 19. Jh. wurden die Klingen vieler langer Blankwaffenmodelle so konstruiert, daß sie gleichermaßen für den Hieb und den Stich geeignet. Ich persönlich finde diese Entwicklung eigenartig. Ein Säbel mit fast gerader Schörklinge ist lange nicht so führig wie ein reiner Degen oder Säbel. Sie waren zudem schwer und lang. Letztendlich entschieden aber hohe Militärs, Tests in den Regimentern und zuletzt der Herrscher über die Einführung neuer Bewaffnungen. Aus der Sicht vieler Soldaten war davon nicht alles brauchbar oder notwendig, und oft am Problem vorbei.

Gruß,
Thomas

17.07.10, 08:56:35

limone

(Super-Moderator)

Hallo Freizeitpreuße,

ergänzend zu den bisherigen Ausführungen könntest Du bei

J. Schott, Hauptmann und Lehrer an der Kriegsschule zu Erfurt:
Grundriss der Waffenlehre für Offiziere und Offiziersaspiranten der norddeutschen Bundesarmee,
Darmstadt & Leipzig 1868.


auf den Seiten 316 - 322 des Originalwerkes im
"II. Theil: Die Nah- oder blanken Waffen"

über die damalige Einschätzung des Wertes und der Verwendungsarten von Blankwaffen noch etwas mehr erfahren.


Dankenswerterweise wurde das Buch von Google als PDF digitalisiert:

Hier klicken.


Grüße

Carsten


     Fröhlich sein, Gutes tun, und die Spatzen pfeifen lassen...
17.07.10, 13:58:31

Freizeitpreuße

(User)

An Zietenhusar und Limone: Einen besonderen Dank euch beiden für eure hilfreichen Ausführungen! Mir ging ein Lichtlein auf. Besser gehts nicht. freuen


Stoppt die Sprachpanscherei!
Stoppt Denglisch!
Bewahrt die Sprache der Dichter und Denker!
18.07.10, 17:08:33

Freizeitpreuße

(User)

Also ganz so harmlos wie nur Schmuck scheinen beispielsweise die späten Offiziers-Infanteriesäbel doch nicht zu sein. Es folgt ein Video (leider auf englisch): (edit Admin: Link entfernt) Hier werden zwar amerikanische Säbel vorgestellt, welche von der Art her aber durchaus einem bayrischen M 1855 gleichen (lange, dünne Klinge, nur leicht gebogen). Nun sollte man einige dort vorgestellte Tests (insbesondere der Luftballon lachen ) nicht allzu ernst nehmen. Aber einige Vorführungen (Hieb am Schwein, Truthahnteilung, und Seilschnitt) zeigen aber durchaus eine ernstzunehmende Hiebleistung für einen ungeschützten Gegner. Hinzu kommt die sehr gute Sticheigenschaft. Was meint ihr?


Stoppt die Sprachpanscherei!
Stoppt Denglisch!
Bewahrt die Sprache der Dichter und Denker!
29.08.10, 17:59:08

Zietenhusar

(Hausmeister)

Lustig, ein Werbefilm der Firma Coldsteel aus California lachen . Ist aber sehr interessant. Mich beeindruckt der beleibte Herr, wie er geradezu geschickt seinen imaginären Gegner die Klinge in den Leib rammt, oder ihn, fast tänzelnd, in Stücke zerhackt.

Coldsteel ist für seine Qualität bekannt und hat seine Fangemeinde. Mit den alten Offiziersblankwaffen hat das Gezeigte aber nichts zu tun. Diese Klingen waren stumpf und vernickelt. Die im Video gezeigten Schnittübungen hätten sie nicht bestanden. Die Biege- und Bruchtests aber bestimmt. Das Fleich hätten sie auch durchbohrt, aber nicht so gut.

Im Klartext, Coldsteel fertigt u.a. "Gebrauchswaffen", mit denen man auch wirklich schneiden und stechen kann. Zum Zwecke als reines Rangabzeichen oder für die Parade ist das nicht nötig.

Gruß,
Thomas

29.08.10, 19:54:25
Gehe zu:
Benutzer in diesem Thema
Es lesen 0 Gäste und folgende Benutzer dieses Thema:
Archiv
Powered by: phpMyForum 4.2.1 © Christoph Roeder