corrado26
(Super-Moderator)

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Kavalleriepistole um 1740, Fertigung in Suhl, gekürzt um 1790
Dunkler Nussbaumvollschaft mit ovalen Verschneidungen um Schloss, Schlossgegenblech und Schwanzschraubenblatt. Messingbeschläge, bestehend aus halbem Vorderschaftband, zwei kantigen, an den Enden gewulsteten Ladestockröhrchen, einteiligem Abzugsbügel mit hinterer und vorderer Verlängerung, Kolbenkappe mit langen seitlichen Sporen und ovalem Nagel sowie flächigem Schlossgegenblech mit abgeschrägten Kanten für zwei Schrauben. Auf dem Kolbenrücken ovales Daumenblech aus Messing mit Wappen der Freien Reichsstadt Nürnberg.. Steinschloss mit flachem, an den Kanten abgeschrägtem Schlossblech, ebensolchem Schwanenhalshahn und Eisenpfanne, diese facettiert und ohne Verbindung zur Batterie. Keine Herstellersignatur auf dem Schlossblech außen. Die Batterieschlagfläche oben gerade abgeschnitten und aufgefüttert. Runder, am Pulversack kanellierter Lauf mit eingefeilter Kimme im Schwanzschraubenblatt. Messingkorn auf dem Lauf, 30mm hinter der Mündung. Suhler Schmiedemarken „SUL“ an der Laufunterseite. Auf dem Schwanzschraubenblatt „Suhler Henne“ mit „LM“, eine weitere Marke „Suhler Henne“ mit "CN“ zwischen den Schenkeln der Batteriefeder. Hölzerner Ladestock mit konisch erweitertem Kopf ergänzt. Lauf/Schaft-Verbindung durch Kreuzschraube und zwei Stifte/Ösen.
Gesamtlänge 450 mm, Lauflänge 265 mm, Schlosslänge 135mm, Schlossbreite 26mm, Gegenblechlänge 130mm, Kaliber des glatten Laufs 18mm.
Die Reichsstadt Nürnberg verfügte im 18. Jahrhundert über ein umfangreiches Militär, denn seit der Neuordnung der Reichsdefension des Jahres 1681 waren alle Reichsstände, so auch Nürnberg gehalten, auch in Friedenszeiten mindestens die Hälfte ihres Gesamtkontingents, welches im Kriegsfalle an die Reichsarmee zu stellen war, aufrecht zu erhalten. Dies aber bedeutete für Nürnberg immerhin ein Friedenskontingent von 900 Mann. Insgesamt unterhielt die Freie Reichstadt vier Kavallerie- und sieben bis acht Infanteriekompanien. Die hier gezeigte Pistole mit dem Stadtwappen Nürnbergs im Daumenblech ist demzufolge einer der vier Kavalleriekompanien zuzurechnen und wurde, wie die Stempellage verdeutlicht, in Suhl gefertigt. Die Kürzung des Vorderschafts geht vermutlich auf französischen, möglicherweise auch preußischen Einfluss zurück.
Französische Revolutionstruppen hatten im Sommer 1796 mit einer zunächst überaus erfolgreichen Invasion des rechtsrheinischen Reichsgebietes begonnen und eine unter dem Befehl des Generals Jourdan stehende Armee rückte in den Fränkischen Reichskreis ein, der nahezu vollständig besetzt wurde. Ausgenommen davon waren lediglich die preußischen Gebiete, denn Preußen hatte im April 1795 mit dem revolutionären Frankreich den Frieden von Basel geschlossen und war damit aus der Front der gegen die Revolution gerichteten Koalition ausgeschert. Alle preußischen Territorien genossen danach den Status der Neutralität, während die nicht-preußischen Gebiete den Plünderungen der Revolutionstruppen schutzlos preisgegeben waren und sich zudem den maßlosen Kontributionsforderungen der französischen Armeeführung ausgesetzt sahen. Als die von Preußen entsandten Truppen daher in die von ihm beanspruchten Teile des reichsstädtischen Landgebietes einmarschierten, konnten sie mit einem gewissen Wohlwollen der örtlichen Bevölkerung rechnen, denn diese gelangte damit auch unter den Schutz der preußischen Neutralität und blieb vor den kriegsbedingten Begleitumständen verschont, anders dagegen die Reichsstadt und deren übriggebliebene Territorien, diese waren den französischen Repressalien in voller Härte ausgesetzt. Ebenso wie das verbliebene Landgebiet wurde auch die Reichsstadt selbst von französischen Truppen besetzt und musste neben hohen Kontributionszahlungen auch die Drangsalierungen einer Soldateska hinnehmen. Nach dem Abzug der Revolutionstruppen wurden deshalb massive Forderungen in der Nürnberger Bürgerschaft laut, die eine freiwillige Unterstellung der Reichsstadt unter preußische Herrschaft forderten. Der Rat der Stadt gab diesen Forderungen schließlich nach und unterzeichnete am 2. September 1796 einen Vertrag, mit dem die Reichsstadt Nürnberg der preußischen Landeshoheit unterstellt wurde. Daraufhin rückten preußische Truppen in das Stadtgebiet und die restlichen reichsstädtischen Territorien ein. Die preußische Regierung in Berlin lehnte allerdings die Bestätigung des Vertrages ab, weil sie im Falle einer Ratifizierung Spannungen mit Österreich und Russland befürchtete. Zudem hätte Preußen damit auch die inzwischen immense Schuldenlast der Reichsstadt übernehmen müssen. Die freiwillige Unterwerfung der Stadt unter preußische Hoheit war somit gescheitert und die preußischen Truppen zogen nach wenigen Wochen wieder ab. Damit wurde allerdings die Agonie der Reichsstadt lediglich noch einmal um ein Jahrzehnt verlängert. Im Reichsdeputationshauptschluss wurde sie 1803 zwar noch einmal verschont, aber drei Jahre später wurde sie 1806 mit der Rheinbundakte ihrer Selbständigkeit beraubt und dem Königreich Bayern als Besitz übergeben
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