18.12.25, 15:43:54
corrado26
Sachsen-Altenburg
Infanteriegewehr M 1843, Versuch
Dunkelrotbrauner Nussbaumschaft mit Backe am Kolben links.. Messingbeschläge, bestehend aus drei rechtsseitig federarretierten Laufringen, Abzugsbügel und flachem, s-förmigem Schlossgegenblech. Kolbenblech aus Eisen. Neukonstruiertes, in den Schaft bündig eingelassenes Perkussionsschloss entsprechend dem Schloss des preußischen Infanteriegewehrs M/39, Schlossblech links vom Hahn abgerundet. Runder, am Pulversack kantiger Lauf ohne Züge mit Patentschwanzschraube und an dieser integriertem Pistonsockel. Standvisier auf der Verlängerung der Schwanzschraube ohne Kimmeneinschnitt, Standvisier in Schwalbenschwanzpassung auf dem Lauf, 100mm vor dem Laufende; eisernes Korn auf dem Lauf, es ragt in den hinteren Bund des ersten Laufrings hinein. Bajonettwarze an der Laufunterseite. Herstellersignatur „SUHL S&C“ unter Krone auf dem Schlossblech außen. Fertigungsjahr„1850“ auf dem Lauf oben links an der Nahtstelle zwischen Patentschwanzschraube und Lauf. „SA“ (Sachsen-Anhalt) an der Patentschwanzschraube oben. Kein Truppenstempel, kein Superrevisionsstempel am Kolben. Kontrollstempel „Kr“ an allen Beschlagteilen, an der Patentschwanzschraube links oben, Seriennummer „1185“ auf der Nase des Kolbenblechs und am Lauf links . Alle Eisenteile mit 50-60%iger Bräunierung. Originaler eiserner Ladestock mit tüllenförmig erweitertem Setzkopf und Endgewinde.
Gesamtlänge 1441mm, Lauflänge mit Patentschwanzschraube 1044mm, ohne Patentschwanzschraube 1011mm, Schlosslänge 145mm, Kaliber des glatten Laufs 18,0mm
Am 15. August 1840 wurde vom Kommandeur der sachsen-anhaltinischen Truppen darauf hingewiesen, dass der Bestand an Gewehren nicht mehr dem Standard der Bewaffnung der Nachbarstaaten entspräche und er empfahl dringend eine Neuanschaffung. Wie bei den meisten mitteldeutschen Kontingenten auch bevorzugte man auch in Sachsen-Anhalt die preußischen Vorbilder. Man entschied sich folglich für das preußische Gewehr M/39, und man bestellte in Potsdam ein preußisches Infanteriegewehr M/39, welches im November zusammen mit Zündhütchen von Dreyse & Collenbusch eintraf.
Bereits im März 1841 hat man 800 glatte Perkussionsgewehre „nach preußischem Modell, aber sächsischer Art, Kaliber 0.67-0,68 Zoll, in der Patentschwanzschraube nur acht statt elf Gewindegängen“ bestellt. Am hinteren Ende des Laufs sollte der „SA“-Stempel angebracht werden.
Das vorliegende Gewehr entspricht bis auf die Form des Abzugsbügels und die Art der Bajonettaufpflanzung mittels Warze an der Laufunterseite weitgehend dem Muster des preußischen Infanteriegewehrs M/39. Wie die an der Waffe vorhandenen Kontrollstempel belegen, wurde diese von einem in Potsdam-Spandau tätigen Abnahmeoffizier der preußischen Gewehrprüfungskommission abgenommen. Sein Signum „Kr“ ist an unzähligen preußischen Handfeuerwaffen nachweisbar, jedoch blieb er bis heute namentlich unbekannt.
Bei dem hier gezeigten Stück dürfte es sich aber um eine veränderte Waffe handeln, welche zwar einen Visiersockel auf der Patenschanzschraube besitzt, der aber die Kimme fehlt. Dafür sitzt ein Standvisier mit massivem Sockel auf dem Lauf. Die ursprüngliche Serienversion besaß nur eine Standkimme auf dem Schwanzschraubenblatt.
Im März 1849 hatte man in Altenburg begonnen, ein zweites Infanterie-Bataillon aufzustellen, so dass am 1. Oktober 1849 aus diesem und dem bereits bestehenden ersten Bataillon das Altenburger Füsilier-Regiment mit zusammen acht Kompanien formiert. wurde. Damit aber war es zwingend notwendig geworden, weitere Gewehre des neuen Modells in Auftrag zu geben. Deshalb erhielt die Suhler Firma Sauer & Co am 26. November 1849 einen Vertrag zur Lieferung von weiteren 600 Infanteriegewehren, deren Auslieferung bis Februar 1850 abgeschlossen sein sollte. Diese Gewehre wurden mit den Seriennummer 801 bis 1400 ausgeliefert. Da das vorliegende Gewehr an der Kolbenkappe die Seriennummer 1185 und am Lauf das Fertigungsjahr 1850 eingeschlagen bekam, muss davon ausgegangen werden, dass es sich hier um ein Stück dieser zweiten Lieferung handelt.
Die Veränderung der Visierung, bei der man das Standvisier vom Schwanzschraubenblatt weiter nach vorne auf den Lauf versetzte, dürfte dem Umstand zu verdanken sein, dass die Altenburger Truppen im deutsch-dänischen Krieg gezogene Gewehre im Einsatz erlebt hatten.
Urplötzlich sah man sich veranlasst, die vorhandene Bewaffnung so schnell als möglich auf den neuesten Stand zu bringen, wobei natürlich die Umänderung des vorhandenen Bestandes an glattläufigen Infanteriegewehren allererste Priorität haben musste.
Major Graf von Holtzendorf, ehemals aus preußischen Dienstern stammender Offizier und Kommandeur des 2. Bataillons des Füsilier-Regiments, welches in Koethen lag, sandte deshalb ein Versuchsgewehr nach Altenburg, an Hand dessen er einen Vorschlag für eine neue Visierung unterbreitete; diese sollte für die dann gezogenen Gewehre geeignet sein.
Da die hier gezeigte Waffe nicht mehr dem Serienzustand entspricht, d.h. seine Visierung eindeutig verändert wurde, obwohl sein Lauf noch immer glatt und nicht gezogen ist, ist es sicherlich nicht abwegig, wenn man annimmt, dass es sich bei diesem Stück tatsächlich um das damals in Altenburg vorgelegte Versuchmuster handelt. Es war damit sozusagen der Wegbereiter für die ab 1854 stattfindende Umänderung des Glattwaffenbestandes der Altenburger Infanterie auf das Kammersystem Delvigne.