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Thema: Englisches Pre-Regulation Flank-Officer´s Sword (https://www.deutsches-blankwaffenforum.de/topic.php?id=8243)


Geschrieben von: heinrichhermann am: 25.02.20, 17:14:18
Guten Tag,

ich möchte Euch heute diesen „Exoten“ vorstellen:
Ein „Pre-Regulation Flank-Officer´s Sword“, wie die Engländer diesen Säbel bezeichnen. So wie ich es verstanden habe, waren die „Flügeloffiziere“ der Infantrie gegen Ende des 18 Jahrhunderts mit ihren Dienst-Seitenwaffen, einem Spadroon eher unzufrieden, da es vorwiegend als Stoßwaffe konzipiert war und sich in der damaligen Kampf-Szenerie als ungeeignet erwies. Daher wurde oft privat eine nicht zu lange und leichte, führige Hiebwaffe beschafft. Die Armee reagierte in der Tat auf diesen Bedarf, indem 1803 eine entsprechende Waffe eingeführt wurde https://collections.royalarmouries.org/battle-of-waterloo/arms-and-armour/type/rac-narrative-469.html

Hier erstmal die Daten:
Gesamtlänge mit Scheide: 90 cm
Länge Scheide: 78,5 cm
Gesamtlänge Waffe:87,0 cm
Klingenlänge: 76,0 cm
Pfeilhöhe: 9,5 cm
Klingendicke: 7 mm
Klingenbreite am Gefäß 33 mm
Gefäßlange: 10 cm
Gewicht Waffe: 520 g
Gewicht Scheide: 480 g
Gesamtgewicht: 1000 g

Das Stück ist in einem stark gebrauchtem Zustand. Markierungen auf dem Gefäß finden sich nicht.
Das Leder der Hilze ist teils berieben und am oberen Ende eingerissen/stark beschädigt. Die Drahtwicklung aus 2 gegenläufig gedrehten Kupfer- oder Messingdrähten ist nur noch rudimentär am unteren Ende erhalten. Die Schneide ist „halbscharf“ und weist vereinzelte kleine, typische Kerben, insbesondere im unteren Drittel auf. Am oberen Drittel der mit einer breiten Hohlkehle versehenen Klinge finden sich einzelne gravierte Verzierungen (floral, militärisch), in denen Rest einer Vergoldung zu sehen ist. Auf dem terzseitigen Ricasso sieht man eine Herstellermarkierung, in der „S & K“ wobei das „K“ leider rechts weggeschliffen wurde.

Fazit: Es handelt sich für meine Begriffe um ein ziemlich langes Exemplar eines „Flank-Officer-Swords“. Normalerweise sind diese Blankwaffen mit mamelukenartiger Klinge noch deutlich kürzer. Besonders ist auch die Herstellermarkierung, die auf Schitzler & Kirschbaum aus Solingen hinweist, welche nach meinen Informationen seit 1790 vorkommen kann (Solinger Klingen waren in England Ende des 18. Jahrhunderts durchaus verbreitet). Eine weitere Besonderheit ist hier die Hohlkehle der Klinge; weitaus häufiger sind ungekehlte Keilklingen.
Für mich persönlich sind diese Säbel in ihrer Schlichtheit und Linienführung ästhetisch ganz weit vorn.

Ich freue mich auf Eure Meinungen

Gruß

Andreas


Geschrieben von: corrado26 am: 25.02.20, 17:24:10
Warum diese Extrawurst für die Flügeloffiziere? Da hätte man doch genauso gut einen 1796er-Kavalleriesäbel hernehmen können, der Unterschied ist doch nicht sehr gravierend.


Geschrieben von: heinrichhermann am: 25.02.20, 17:35:27
Der "kleine" wiegt mal gerade die Hälfte und ist deutlich kürzer und hindert daher nicht beim laufen.
Kavallerie-Blankwaffen waren zu der Zeit insgesamt deutlich länger und schwerer als Infantrie-Exemplare.
Der Unterschied wird beim Kampfkonzept deutlich: beim Kampf zu Pferd ist häufig der erste Hieb entscheidend, da sich die Gegner auf ihren Pferden in aller Regel danach sofort wieder voneinander entfernt haben. Daher liegt der Schwerpunkt auf Reichweite und Wucht.
Beim Infantriegefecht sieht die Szene völlig anders aus: Es überwiegt Hieb-Parade-Riposte, also das echte Fechten und hier ist der 1796 LC viel zu schwer.
Ich hatte neulich eine Mini-Version des 1796LC hier vorgestellt, der würde auch für diesen Zweck passen.


Geschrieben von: corrado26 am: 25.02.20, 17:45:35
Danke für die Aufklärung


Geschrieben von: Zietenhusar am: 26.02.20, 05:41:24
Vorweg ein großes Lob an Dich, Andreas, für Deine ausführliche Beschreibung und für die detailreichen Abbildungen. Der Säbel ist, trotz und wegen seiner deutlichen Altersspuren, eine schöne und interessante Waffe.

Zum Säbel kann ich leider nichts beisteuern. Auffällig ist die recht große Pfeilhöhe der Klinge. Das war wohl ein Trend in dieser Zeit. Englische Offiziere "beschenkten" nicht nur sich mit solchen Klingen. Die Engländer beschenkten auch Ausländer, die besondere Leistungen erbrachten, mit Säbeln die, neben prunkvollen Gefäßen, eine stark gekrümmte Klinge aufweisen. Erwähnenswert ist hier ein Prunksäbel den England dem Generalfeldmarschall Blücher nach dem Sieg über Napoleon zusandten.

Gruß,
Thomas


Geschrieben von: heinrichhermann am: 26.02.20, 22:28:16
Vielen Dank.
Hier sieht man einen solchen Mini-Säbel mal "am Mann"
https://collection.nam.ac.uk/detail.php?acc=1983-10-134-1


Geschrieben von: Gost am: 27.02.20, 07:43:44
Mini-Säbel
Gruß Gost