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Thema: Seitengewehr u/M (https://www.deutsches-blankwaffenforum.de/topic.php?id=2839)


Geschrieben von: Operculum am: 01.12.10, 15:18:53
Hallo zusammen! Ebenfalls aus der Kategorie "Dachbodenfunde" stamt dieses Stück.

Laut der Galerie dieses Forum müsste es sich doch um ein "Seitengewehr U/M für die Feld-Artillerie" handeln, oder? Auf der Klinge findet sich eine Schmiedemarke, die Klinge ist grob beschliffen und sieht nachbearbeitet/verunstaltet aus. Das Ortblech der Scheide fehlt, auf dem Mundblech ist aber so einiges hoffentlich aufschlussreiches eingestanzt. Das einzige, was nicht durchgestrichen ist, lautet:
R.F.C.51.84. Drüber und drunter durchgestrichen läßt sich noch folgendes erkennen: G.H 4. / 7. 68. / 118.R.7.68. / H I S 178 1.165.
Auf der Parierstange glaube ich zu erkennen: .GH C. 1. .. (Leider ist nicht alles leserlich). Nun meine Frage: Um welche Waffe handelt es sich genau, und geben die Stempel Auskunft über die Geschichte dieses Stückes? Vielen Dank schonmal im Vorraus! Gruß, Sascha



Ich habe Deine Bilder größenmäßig angepaßt und gedreht.
Gruß
ulfberth


Geschrieben von: corrado26 am: 01.12.10, 17:44:51
G.H 4. / 7. 68. / 118.R.7.68 steht für ein hessisches Regiment, nämlich das Großherzoglich Hessische 4. Infanterie-Regiment, 7. Kompanie, Waffe N°68. Daraus wurde nach der Militärkonvention mit Preußen und Eintritt in das Reichsheer ab 1871 das Infanterie-Regiment Prinz Carl (4. Großherzoglich Hessisches) N°118, 7 Kompanie Waffe N°68.

Das R.F.C.51.84.könnte für die Reserve-Fuhrpark-Colonne 51, Waffe N°84. stehen, bin mir aber nicht sicher.
Gruß
corrado26


Geschrieben von: ulfberth am: 02.12.10, 12:19:32
Zitat von Operculum:
... Auf der Klinge findet sich eine Schmiedemarke, ... Gruß, Sascha


Könntest Du uns die Schmiedemarke auch einmal zeigen. Auch wäre der gelöschte untere Truppenstempel noch ganz interessant.

Gruß

ulfberth


Geschrieben von: Operculum am: 03.12.10, 17:38:49
Na das sind doch schon eine Menge nützlicher Informationen!
Herzlichen Dank! Hier nochmal eine Detailaufnahme des gelöschten Truppenstempels. Nach näherer Betrachtung würde ich sagen, die Nummer lautet "H I S 178 1.165."



Außerdem nochmal die Schmiedemarke:



(Das größenmäßige Anpassen der Bilder hab ich noch nicht so ganz raus...!)


Geschrieben von: thüringer am: 03.12.10, 18:02:14
Hallo!

Im ersten Bild sehe ich ein T.S., darum tippe ich auf 11. T.S.178 (oder 173), dies wäre Train-Bataillon Nr.11, Sanitätskolonne, Waffennummer 178.
Vielleicht ist zwischen der 1 und der 7 ein Punkt versteckt, dann wäre es die 1. Sani-Kolonne des Trainbataillon, Waffennummer 78.
Das Kurhesssiche Trainbataillon Nr.11 war in Kassel stationiert.

Eine Frage an alle: Ist die Deutung auch mit H.T.S als Großherzoglich-Hessische Trainbataillon, Sanitätskolonne deutbar? Vielleicht mit einer älteren Stempelvorschrift?

tschüß
Roland


Geschrieben von: thüringer am: 03.12.10, 18:07:22
kleiner Nachtrag:

Auf dem Seitengewehr sehe den Rest des kursiven R ( R) von Reserve zwischen GH und C.
Wäre die Deutung Reserve -(C)ompanie des Goßherzoglichen Hessischen Infanterieregiemet Nr. ... möglich?
Tschüß
Roland


Geschrieben von: ulfberth am: 04.12.10, 09:26:01
Vielleicht ist es nun an der Zeit, eine Zusammenfassung zu erstellen:

Zustand und die Zusammengehörigkeit des Seitengewehrs lassen sich aus den Abbildungen ersehen und müssen hier auch nicht weiter besprochen werden.

Das Seitengewehr gelangte im Zuge der Militärkonvention zwischen dem Großherzogtum Hessen und dem Königreich Preussen 1867 zu den hessischen Truppen. Die großherzoglich hessischen Truppen traten im Krieg und Frieden als geschlossene Division in den Verband eines Armeekorps des Königlich Preußischen Heeres. Die großherzoglich hessischen Truppen waren somit ein Teil des preußischen Heeres.

Der älteste Stempel auf dem Mundblech dürfte – wie schon von „Corrado26“ beschriebene - „G.H. 4. / 7. 68.“ für das Großherzoglich Hessische 4. Infanterie-Regiment , 7. Kompagnie und der Waffen-Nr. 68. Der Stempel „118. R. 7. 68.“ steht für das gleiche Regiment nach seiner Einreihung in die preußische Nummerierung: „4. Großherzoglich Hessische Infanterie-Regiment Nr. 118, 7. Kompanie, Waffen-Nr. 68.“

Vermutlich nach Einführung des Gewehrs M/1871 mit dem dazugehörigen Seitengewehr gelangte das u/M (genauer gesagt die hier gezeigte Scheide) zum Train.

Die Großherzoglich Hessische Train-Kompagnie wurde ebenfalls nach der Militärkonvention mit Preußen 1867 errichtet und war attachiert mit einer Kompagnie und einem Depot beim Großherzoglich Hessischen Artillerie-Korps. Aus dieser "Train-Abteilung" ging 1. Januar 1872 die Großherzoglich Hessische Train-Kompagnie hervor. Mit diesem Datum ging dann auch das Großherzogliche Kontingent in den Etat und die Verwaltung der Preußischen Armee über.
Die o. g. Kompagnie hatte als Garnisonsort weiterhin Bessungen und trat später dem Train-Bataillon Nr. 11 als detachirte Kompagnie ein. Dieses Train-Bataillon Nr. 11 wurde 1866 als Train Btl. Nr. 11 errichtet, trug 1867 den Namen Hessisches Train-Btl. Nr. 11 und wurde erst 1902 Kurhessisches Train-Btl. Nr. 11.
1890 wurde aus der o. g. Großherzoglich Hessischen Kompagnie und einer neu gebildeten 2. Kompagnie das Train-Btl. 25 errichtet, welches 1901 umformiert wurde in Großherzoglich Hessisches Train-Bataillon Nr. 18.

Der Truppenstempel "H. T. S. 178" dürfte für das Sanitäts-Detachement der Großherzoglich Hessischen Division stehen. Die Waffennummer wurde später gelöscht und durch "1.165" ersetzt. Dies könnte nunmehr eine Kennzeichnung des Hessischen Train-Bataillons sein. zuzusprechen. Letzteres verfügte in der Kriegsformation über 3 Sanitäts-Detachements .

Der letzte Stempel ist der der Reserve Fuhrpark Colonne 51 mit der Waffen-Nr. 84. Das „C“ wurde zwar nach 1909 als „K“ geschlagen, trotzdem kann die Scheide auch so gestempelt noch im Weltkrieg zur Ausgabe gelangt sein.

Der Truppenstempel auf der Waffe dürfte der der 1. Großherzoglich Hessischen Proviant Colonne mit Waffen-Nr. 3 (?) sein. Die Colonnen-Nummer scheint später zusätzlich noch der Bezeichnung voran gesetzt worden zu sein.


Gruß

ulfberth


Geschrieben von: Operculum am: 05.12.10, 20:38:38
Vielen Dank für diese ausführlichen Informationen über das Seitengewehr und die Mühe, die sie sich gemacht haben! Es ist wirklich interessant nun eine Vorstellung davon zu haben, welch bewegte Geschichte solche Waffen haben. Gruß und nochmal Danke! Sascha


Geschrieben von: ulfberth am: 07.12.10, 15:50:53
Hier möchte ich dann einfach Max Liebermann zitieren: „Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte.

Man investiert Zeit und Mühe um einem Sammlerkollegen / Mitglied zu helfen und ein interessantes Stück zu bestimmen - und findet dann das Stück sowie den eigenen Text bei einer Internet-Auktion wieder. Die Zeit hätte ich mir sparen sollen.


Lieber Sacha,

bei zukünftigen Anfragen wirst Du sicherlich versehen, daß ich als Dein unfreiwilliger Handlanger nicht mehr in Erscheinung trete.

Gruß

ulfberth


Geschrieben von: ulfberth am: 08.12.10, 09:18:09
Nachtrag:

Lieber Sacha,

als Bieter würde mich stören, daß Deine einzige Bewertung bei diesem Auktionshaus vom Höchstbieter Deiner einen Auktion stammt. Und dessen einzige Bewertung ist wiederum die von Dir gegebene.

Potz Blitz! Fast hätte ich übersehen, daß dieser Bieter schon wieder der Höchstbieter bei Dir ist. Ein wirklich treuer Kunde.

Honi soit qui mal y pense

Gruß

ulfberth