... Aber mal ganz allgemein zu Truppenstempeln: Einen deutschen Aussonderungsstempel hat es zu keiner Zeit gegeben. Wenn Waffen geordnet zurückgegeben wurden, blieben die alten Truppenstempel auf der Waffe. Erst wenn die Waffen (warum auch immer) wieder neu ausgegeben wurden, wurden neue Truppenstempel angebracht.
Der Zusammenhang zwischen einem wie auch immer gearteten "Ausmusterungsstempel!?!" und den Truppenstempel erschließt sich mir nicht. Hier besteht m. E. keinerlei Zusammenhang.
Ich würde den Begriff der Ausmusterung nicht allein auf den 1. Weltkrieg beschränken.
Ausschuß-Stempel
Normalerweise beginnt die Ausmusterung bereits bei der Produktion der Waffenteile. Und zwar egal, ob Kaiserreich oder davor Königreich Preußen. Daher vielleicht ein paar Anmerkungen,
ohne dabei zu sehr auf Details einzugehen. Die Waffenteile wurden gefertigt und auf Ihre Qualität und Maßgenauigkeit einer Güteprüfung unterzogen. Die bestandene Güteprüfung wurde mit dem Abnahmestempel des Abnahmeoffiziers bestätigt. Andernfalls gab es die Möglichkeit der Nacharbeitung oder der völligen Zurückweisung und Vernichtung des Teils. Bei geringfügigen Toleranzen – oder auch wenn keine Maßtafeln vorhanden waren – erhielten die Teile dann den RC-Stempel für die Revision-Controlle. Mit dieser Maßnahme übernahm der Erste Revisionsbeamte (bzw. dessen Stellvertreter) die etwaige spätere Verantwortung für den Revisionsbeamten. Bei der oben erwähnten völligen Zurückweisung erhielten die Teile einen tief geschlagenen Stempel „A“ für Ausschuß um zu verhindern, daß das Teil nochmals vorgelegt werden konnte. Ich hatte vor Jahrzehnten einmal 71er Hirschfängerklingen erworben, bei denen der Klingenrücken so markiert war. Heinrich R. Harder beschreibt in seinem Buch über die Reichsrevolver auch einen 83er Revolver, welcher aus solchen Hauptteilen zusammengestellt wurde. Er vermutet, daß die Waffe in ungestempelten Einzelteilen und den A-Teilen aus der Gewehrfabrik Erfurt heraus geschmuggelt und später montiert wurde.
Reparaturstempel:
Im Truppenbereich lief die Reparatur von Schuß- und Blankwaffen über die sogenannte Gewehr-Reparatur-Kommission. In der Regel bestand diese aus zwei Leutnants und einem Unteroffizier für Dienstleistungen. Sie stand unter der Leitung des Bataillons-Kommandeurs, der bei wichtigen Verhandlungen auch den Vorsitz führte. Diese Kommission ist die dem Büchsenmacher direkt vorgesetzte Behörde. Hier erfolgen dann die Büchsenmacher-Stempel ohne Krone, um diesen für seine Arbeit ggf. auch haftbar machen zu können. Der hier bei Instandhaltung und Reparatur benötigten Gelder stammten aus dem Waffen-Reparaturfonds und wurden von der oben erwähnten Kommission genehmigt. Daraus konnten aber keine neuen Waffen bezogen werden, sondern nur Einzelteile! Nach den Reparaturen werden alle unbrauchbaren Teile veräußert und das Geld der Reparatur Kasse zugeführt. Nicht davon betroffen sind Läufe, Bajonette, Ladestöcke, Seitengewehre und Säbelklingen. Letztere konnten zur Zusammenstellung von Trainsoldaten-Säbeln (1850) verwendet werden, die anderen Teile gingen an das Artillerie-Depot zurück. Alle Reparaturarbeiten wurden in einem Reparaturbuch genau mit Stempel und Nummern des bearbeiteten Stückes erfaßt.
Entsorgung im Weltkrieg:
Diese Vorgehensweise hatte auch bis zum Kriegsbeginn Bestand. Helmuth Karl Bernhard Graf von Moltke: "Kein Plan überlebt die erste Feindberührung." Wird ähnlich auch Clausewitz (wahrscheinlicher) und in amerikanischen Filmen auch Rommel zugeschrieben. Hinzu kamen Waffensammelstellen bei denen – siehe Armee-Verordnungsblatt – auch Finderlohn gezahlt wurde und auch Sammelstellen für Wertstoffe. Bei den Materialschlachten kann ich mir kaum noch eine Klingenauswechselung im Felde vorstellen. In den besetzten Gebieten war das sicherlich anders, aber da brachen auch nicht so viele klingen ab. Von einer Ausmusterung ist mir hier nichts bekannt. In den Bereichen der stellvertretenden Armeekorps dürften im Krieg auch weiterhin unbrauchbare Waffen- und Waffenteile an die Artillerie-Depot retourniert worden sein.
Auf die Frage, gibt es Ausmusterungsstempel, würde ich mit einem eindeutigen njein antworten. Gelegentlich tauchen Blankwaffen (z. b. Sachsen I.O.D. und Artillerie-Faschinenmesser) komplett durchgestempelt mit einem U-Stempel auf. Unbrauchbar? Ein Büchsenmacherstempel auf allen Waffenteil will mir hierbei nicht einleuchten.
Gelöschte Superrevisionsstempel kommen u. a. ebenfalls bei maritim verwendeten Füsilier Seitengewehren M/60 vor. Ob hier wie häufig behauptet der Wechsel aus dem preußischen Etat in den (Reichs-) Marineetat dokumentiert werden sollte, leuchtet mir nicht ein und ist m. e. nur Sammlermeinung.
Ausmusterungsstempel:
Für meinen damaligen Artikel über die sächsischen IOS, bzw. IOD M/67 h
atte ich einen Feldwebeldegen mit Griffbelederung vorgestellt, welcher mit einem U-Stempel durchgängig nachgestempelt war. Nun läßt sich trefflich darüber spekulieren, wofür der Buchstabe „U“ stand. Meines Erachtens dürfte die Auflösung in die Richtung „unbrauchbar“ gehen.
Klinge: Auf dem äußeren Klingenkopf befindet sich ein - durch Schläge fast unkenntlich gemachter - Stempel "J.R" sowie ein "U" auf der Innenseite.
Gefäß: Ebenfalls dreigeteilte Griffkappe, diesmal aber mit vernietetem Angelkopf auf der Deckplatte. Eine Verlötung der Seitenteile mit der Griffkappe ist nicht feststellbar. Auf dem Rücken der Griffkappe gleichermaßen ein "U". Die Unterseite des Stichblattes trägt vor dem Endknopf gleichermaßen einen "Kronen-Stempel" und davor ein sehr stark eingeschlagenes weiteres "U", sowie innen der durchgestrichene (gelöschte) Truppenstempel "100.R.4.1."
Scheide: Blanke Eisenscheide mit einem vorne und hinten von zwei Schrauben gehaltenen Deckplattenmundstück, zwei Scheidenbänder - ohne Trageöse - mit Ringösen und Trageringen, überlanger Schlepper, am oberen inneren Scheidenrand der gleichsam gelöschte Truppenstempel "100.R.1.4.". Die Scheide dürfte vertauscht worden sein. Ein "Verstempeln" ist unwahrscheinlich, da dies durch Beitreiben und Neustempeln zu korrigieren gewesen wäre!
Charakteristisch ist für diese Stempel, daß er massiv eingeschlagen wurde. Eine Beseitigung desselben ist dadurch kaum noch möglich. Der Degen, bzw. die Waffenteile sind somit für alle Zeiten gebrandmarkt und eine Reparatur bzw. Teileergänzung über den Waffenetat somit ausgeschlossen.
In den Unterlagen habe ich ein als zweites Stück Bilder eines sächsischen Infanterie-Faschinenmessers. Auch hier sind alle Waffenteile mit einem stark eingeschlagenen U-Stempel gekennzeichnet. Leider habe ich nicht vermerkt, aus welcher Quelle die Fotos stammen. Daher auch hier keine Veröffentlichung.
Wozu diese Maßnahme erfolgte, ist zumindest mir unbekannt. Evtl. wurden diese Stücke für Dekorationszwecke an Formationen ausgegeben. Und um das Thema abzuschließen: ja, ich halte den Stempel für einen Ausmusterungsstempel.
Gruß
ulfberth