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alter-opa

(Mitglied)

Zitat von ral6014:
Danke für die Infos. Ein interessanter Beleg dafür,dass bei Kriegsausbruch längst nicht alle Einheiten das G.98 führten. Dann mussten die wackeren Bäcker ihre Feldbäckerei also mit dem G.71 verteidigen.

Der Grund für die Verwendung der alten Bajonette lag darin, dass längst nicht so viel neue Bajonette vorhanden waren, wie man eigentlich gebraucht hätte. Das man so viele Bajonette brauchte, lag nicht an ihrer möglichen Verwendung, sondern an einer Besonderheit des deutschen Militärs. Es gab den "Soldatenstand 2. Ordnung", in dem man versetzt wurde, wenn man Straftaten begangen hatte. Soldaten des "Soldatenstandes 2. Ordnung" hatten aber nicht das Recht, Waffen zu tragen, also auch keine Bajonette. Wenn also ein Soldat kein Bajonett trug, konnten Unbeteiligte vermuten, hier einen verurteilten Kriminellen vor sich zu haben.

29.10.19, 15:57:13

Spartaner545

(Mitglied)

Zitat von alter-opa:
Soldaten des "Soldatenstandes 2. Ordnung" hatten aber nicht das Recht, Waffen zu tragen, also auch keine Bajonette. Wenn also ein Soldat kein Bajonett trug, konnten Unbeteiligte vermuten, hier einen verurteilten Kriminellen vor sich zu haben.


Hallo,

leider kann ich der Argumentation nicht folgen.

Der Grund, wieso so viele Seitengewehre in Deutschland gebraucht wurden, war der Tatsache geschuldet, dass es Soldaten 2. Ordnung gab, welche kein Seitengewehr tragen durften?

verwirt

Habe ich hier etwas komplett falsch verstanden?

Beste Grüße

Vincent

29.10.19, 16:37:50

alter-opa

(Mitglied)

Zitat von Spartaner545:
leider kann ich der Argumentation nicht folgen.

Der Grund, wieso so viele Seitengewehre in Deutschland gebraucht wurden, war der Tatsache geschuldet, dass es Soldaten 2. Ordnung gab, welche kein Seitengewehr tragen durften?

In gewisser Weise war es tatsächlich so. Es war militärisch längst nicht notwendig, dass jeder Soldat ein Seitengewehr trug. Die Soldaten in den Schreibstuben, in irgendwelchen Etappenkommandos usw. brauchten eigentlich kein Seitengewehr, aber sie hatten trotzdem eins, denn ein Soldat ohne Seitengewehr (bzw. ohne jede sichtbar getragene Waffe) konnte schnell als Soldat des 2. Standes, also einem wegen irgendwelcher Vergehen verurteilten Soldaten verwechselt angesehen werden.

29.10.19, 19:02:05

ulfberth

(Moderator)

Vorab ein paar Hinweise zu den hier erwähnten Soldaten der 2. Klasse.

Die von einem Militärgericht verhängten Strafen über 6 Wochen wurden in der Festungshaft verbüßt. Diese Gefangenen trugen eine besondere dunkelblaue Dienstbekleidung. Während des Weltkrieges wurden diese Militärgefangenen zu sogenannten Militärgefangenen-Kompagnie zusammen gefasst. Auch hier wieder dunkelblaue oder minderwertige feldgraue Arbeitsbekleidung OHNE Schulterklappen! Hinzu kamen noch Arbeiter-Abteilungen für unverbesserliche oder „unwürdige“ Soldaten. Diese Formationen zählten ebenfalls zu den Disziplinartruppen. Für das Gardekorps gab es eine eigene Disziplinarabteilung. Soweit die 2. Klasse des Soldatenstandes.

Verwechslungen konnte es eher durch die Uniform, als durch das nicht vorhandene Seitengewehr geben. Bei Flucht fielen diese Gefangenen durch ihre "Uniform" nämlich nicht allzu sehr auf. Wobei ich von der Menge der Gefangenen im Verhältnis zum deutschen Heer bezweifele, daß vielen "Landser" mit diesen überhaupt Sichtkontakt hatten.

Hinzu kamen noch Kriegsarbeiter-Kompagnien, zusammengesetzt aus vorbestraften Zuchthäuslern etc., welche normalerweise vom Militärdienst ausgeschlossenen waren. Diese Kriegsarbeiter waren keine Personen des Soldatenstandes!

Dazu kamen noch Zivilarbeiter-Bataillone und natürlich Kriegsgefangene.

Allen diesen Gruppierungen war gemeinsam, daß sie sowohl unbewaffnet waren – das Thema bewaffnete Gefangene brauchen wir sicherlich nicht zu erörtern – als auch über bewaffnetes militärisches Bewachungspersonal verfügten.

Zum Thema Bewaffnung: Aktive Kampfverbände wurden normalerweise mit den modernsten Waffen ausgerüstet. Kampfunterstützungstruppen waren mit älterem Material ausgerüstet. Garnisonsbataillone, Landsturm etc. hatten eher veraltete Waffen. Ausnahmen bestätigen hier wie zumeist die Regel. Während des Krieges erfolgte hier häufig eine Nachbesserung bei der Bewaffnung. Daß Etappenformationen wie die oben erwähnten Bäcker mit Karabiner 88 und Infanterie-Seitengewehren U/M bzw. M/71 ausgestattet waren, paßt genau in dieses Schema.

Gruß

ulfberth



www.seitengewehr.de
30.10.19, 08:14:54

ral6014

(Mitglied)

.....Daß Etappenformationen wie die oben erwähnten Bäcker mit Karabiner 88 und Infanterie-Seitengewehren U/M bzw. M/71 ausgestattet waren, paßt genau in dieses Schema.

Gruß

ulfberth
[/quote]

Wenn ich das richtig verstanden habe, war es damals überhaupt nicht wichtig, ob ein SG sich auf die Schusswaffe aufpflanzen ließ?

30.10.19, 19:26:34

joehau

(Mitglied)

Zitat:

Wenn ich das richtig verstanden habe, war es damals überhaupt
nicht wichtig, ob ein SG sich auf die Schusswaffe aufpflanzen ließ?


Das hängt natürlich ganz von der Waffengattung ab. Der Infanterist
sollte schon mit aufgepflanztem Seitengewehr Sturmangriffe vortragen
können, wogegen das von der Fußartillerie oder der Handwerkerkompanie
nicht erwartet wurde. Das Seitengewehr U/M war z.B. gar nicht aufpflanzbar.
Wahrscheinlich haben die Schuster und Bäcker das nie gebraucht, aber
es entsprach dem Zeitgeist, dass eine Militärperson als Statussymbol
eine Blankwaffe haben musste.

30.10.19, 20:53:13

ulfberth

(Moderator)

Ganz so einfach ist die Angelegenheit m. E. nicht. Natürlich gehörte seinerzeit zur Uniform auch eine Waffe. Ein unbewaffneter Soldat war in den Armeen nicht vorstellbar.

Wobei die wirkliche Präsenz mit Waffe entweder im Felde - oder in der Heimat als Außendarstellung stattfand. Wer außer Dienst durch Berlin schlenderte und ein Ausgehseitengewehr (Dienstmädchenfanggerät) am Koppel trug, war m. E. nicht bewaffnet. Aber Spaß beiseite. Weder bei den Turnübungen noch auf dem oben erwähnten Geschäftszimmer war Waffe befohlen. Genauso wenig beim Innendienst. Und selbst an der Front rannten die Soldaten im Ruhequartier nicht mit Koppel und Seitengewehr herum.

Die oben angesprochene Etappe gehört leider nicht zu den wirkliche ruhigen Gebieten. Partisanen in Frankreich und Belgien, russische Deserteure in Regimentsstärke im Osten – Gründe für eine wie auch immer geartete Bewaffnung gab es genug. Und natürlich verfügten auch Sanitäter über Seitengewehr und Faustfeuerwaffe. Zum Eigenschutz und zum Schutz ihrer Schutzbefohlenen.

Selbst die sprunghaft (siehe nächster Beitrag) hinter der Front einher ziehenden Feld-Bäckereikolonnen benötigten zur Eigensicherung eine zumindest ausreichende Bewaffnung. Und ja, selbst der der Kolonne beigegebene Schlosser oder Schneider mußte dafür bewaffnet sein.

Das Thema Aufpflanzbarkeit spielte hierbei eine untergeordnete Bedeutung. Auch mit der flachen Klinge konnte man sich seiner Haut erwehren. Von einem Zustechen noch gar nicht zu reden. Nicht unerwähnt sollten die Seitengewehre mit Holzgriff, welche im Belgischen Armeemuseum ausgestellt wurden. Vermutlich wurde das Gelbmetall des Griffs kriegsbedingt benötigte und die Klinge mit einem sauber gearbeiteten hölzernen Griff wieder komplettiert. Als Seitenwaffe reichte es allemal.

Gruß

ulfberth



www.seitengewehr.de
31.10.19, 00:12:53

ulfberth

(Moderator)

Um wieder einmal auf das ursprüngliche Thema zurück zu kommen: Die Vorschrift!




www.seitengewehr.de
31.10.19, 09:52:05

ulfberth

(Moderator)

Die "Truppenstempel" der Truppen- und Train-Fahrzeuge:


www.seitengewehr.de
01.11.19, 08:17:10

Spartaner545

(Mitglied)

Herzlichen Dank, Ulberth, für die herausragenden Informationen.

Beste Grüße

Vincent

01.11.19, 10:09:19
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