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tsushima1905

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Eine halbe Stunde Fußmarsch vom Zentrum entfernt liegt auf einer Anhöhe das Anwesen und Museum Stibbert. In vielen anderen Städten wäre es DAS prägende Museum mit Hinweisschildern auf allen Zufahrtsstrassen gewesen, doch in Florenz hängen die Trauben halt höher. Die deutschsprachigen Reiseführer erwähnen es in ein paar Zeilen am Rande, auf den Übersichtskarten ist es teilweise schon nicht mehr enthalten, da die Via Stibbert außerhalb des Gebietes liegt, durch das Touristenströme walzen. Einer Publikation gelang der derbe Ausrutscher „Rittermuseum für Kinder“ – immerhin beherbergt es u. a. die größte Sammlung japanischer Blankwaffen / Samuraiausrüstung außerhalb Japans, und der Bereich Japan umfasst nur 3 der mehr als 20 zugänglichen Räume und Säle.

Frederick Stibbert (1838 – 1906), Sohn des Briten Thomas Stibbert (Oberst der Coldstream Guards) und der Toskanerin Giulia Cafaggi und zeitlebens britischer Staatsbürger, kam in Florenz zur Welt. Nach dem Tod seines Vaters zog er 1849 mit seiner Mutter in die Villa Montughi – das heutige Museum Stibbert. Zur Ausbildung reiste er nach England. Wenn ich die italienischen Quellen richtig interpretiere, hatte er ein Problem mit der Wissensvermittlung an britischen Eliteschulen und wurde von mehreren ausgeschlossen. Er begann sich für die Künste und das Kunsthandwerk zu interessieren und erlebte in England den Beginn der Arts & Crafts Bewegung (Im damaligen Zeitalter der maschinellen Produktion eine Gegenströmung / Rückbesinnung auf die handwerklichen Fähigkeiten, die Wiedervereinigung von Kunst und Kunsthandwerk – beeinflusste auch den Jugendstil.).

Als Stibbert 1859 nach Florenz zurückkehrte, befand er sich im Besitz eines gigantischen Vermögens : Als letztem männlichen Erben war neben dem Erbe des Vaters auch das Erbe des Großvaters auf ihn übergegangen. Generalleutnant Giles Stibbert (1743 – 1809) hatte den größten Teil seiner militärischen Laufbahn in Indien verbracht, war dort 1777-1779 und 1783-1785 Oberkommandierender der britischen Streitkräfte und erwarb in dieser Zeit den Grundstock des Stibbert - Vermögens auf „robuste“ Art : Durch Plünderungen …

In den 1860er Jahren erfolgten die ersten Ankäufe : Erst Waffen und Rüstungen, später Textilien, Gemälde, Porzellan, Möbel, Bücher … Er reiste dazu viel durch die Welt, baute Kontakte zu Antiquitätenhändlern und „Tippgebern“ auf und kaufte … kaufte …

1866 trat er als Freiwilliger Garibaldis Truppen bei und kämpfte im Dritten Unabhängigkeitskrieg – es sollte seine einzige militärische Erfahrung bleiben.

Mitte der 1870er sprengte die Größe der Sammlung das Fassungsvermögen der Villa Montughi, St. kaufte nun die benachbarte Villa Bombicci hinzu. Zu dieser Zeit begann auch das Projekt des Museums zu reifen, die Zukäufe wurden nun gezielter, jetzt geriet auch Japan in den Fokus. Durch gute Verbindungen erwarb er schon sehr früh herausragende Objekte der Samurai.

Die letzten Jahrzehnte des 19. Jh. verbrachte er mit dem Umbau und der Ausgestaltung der Villa Montughi zu einem Museum nach seinen Vorstellungen. Wohnvilla und Ausstellungsräume wurden nicht getrennt, sie existierten miteinander oder gingen ineinander über. Für den zentralen Raum der Ausstellung mit den Rittern zu Pferde wurde ein neuer Anbau errichtet.

Stibbert hatte nicht geheiratet und keine direkten Erben. In seinem Testament verfügte er, dass die Villa zu einem öffentlichen Museum eingerichtet werden solle in dem Zustand, wie er
es sich erschaffen hatte. Die Stadt Florenz übernahm schließlich das Erbe und gründete eine Stiftung, die das Museum betreut.

Was erwartet den Besucher heute ?

http://www.museostibbert.it/de


Innerhalb der Öffnungszeiten werden zu jeder vollen Stunde Gruppen bis max. 25 Personen von einem Führer durch das Museum geleitet. Eine Führung dauert 1 Stunde (Dies wird auch strikt eingehalten !) und umfasst rund 25 Zimmer. Hier kann sich schon jeder selbst ausrechnen, wie viel Zeit je Zimmer zur Verfügung steht ! Erklärende Texte nur an einigen herausragenden Objekten – man hätte ohnehin kaum Zeit zum gründlichen lesen. Audioführer stehen zur Verfügung, es darf ohne Blitz fotografiert werden. Am Ende der Führung der übliche Shop und ein kleines Cafe. Den Park sollte man sich auch nicht entgehen lassen – evt. hat sich ja schon die bessere Hälfte vorher dafür entschieden …

Mein Besuch im Februar 2015 trug exklusiven Charakter : Ich betrat 10.00 Uhr das Museum, kein weiterer Besucher tauchte auf und die Führung ging los ! Eine Italienerin führte durch die Räume und erläuterte in Landessprache, eine koreanische Studentin übersetzte simultan ins Englische. Auf meine Fragen gaben die beiden ihr bestes, aber eine Verständigung war nur schwer möglich. Die japanischen Räume waren an diesem Tage leider geschlossen.
Im Sommer 2017 waren wir an einem Nachmittag immerhin schon 8 Personen. Die Führung durch einen Mitarbeiter auf italienisch und englisch war passabel und ansonsten waren 7 Besucher ständig damit beschäftigt, ein hyperaktives Kind mit starkem Berührungsdrang im Auge zu behalten.

Etwas mit diesem Museum vergleichbares habe ich noch nicht gesehen – unbedingt empfehlenswert für jeden Leser dieses Forums !! Die Philosophie der Wissensvermittlung in einem Museum um 1900 und einem heutigen könnte gegensätzlicher nicht sein. Drei Meter Sichtbeton zwischen jedem Objekt treten hier an gegen handbemalte Ledertapete und Objektabstände von wenigen cm –> Motto : Man zeigt, was man hat … Unvergesslich !

Die Reihenfolge der Fotos (alles 2017) entspricht dem Rundgang, ich habe mich auf Blankwaffen, Schusswaffen und Rüstzeug beschränkt :


04.11.17, 02:48:42

tsushima1905

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04.11.17, 02:51:47

tsushima1905

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04.11.17, 02:53:55

tsushima1905

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04.11.17, 02:56:03

tsushima1905

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04.11.17, 03:02:25

tsushima1905

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04.11.17, 03:04:08

tsushima1905

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Im Jahr 2006 ging durch die italienische Presse, dass wahrscheinlich in den 1970er Jahren einige der ältesten und wertvollsten Klingen gestohlen und durch neue Kopien ersetzt wurden. Das Museum wiegelte damals ab : Da habe es wohl nur ein paar Unregelmäßigkeiten bei der Inventarisierung gegeben …
Kennt jemand die genaue Geschichte und deren Ausgang ??

Das Video zeigt bis 12:30 min einen mit Mobiltelefon gefilmten Rundgang durch die Japan-Ausstellung, der Rest ist nur für Kenner der italienischen Sprache :

https://www.youtube.com/watch?v=BIkngz2fODc


04.11.17, 03:06:30

tsushima1905

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04.11.17, 03:07:12

tsushima1905

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04.11.17, 03:10:51

tsushima1905

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04.11.17, 03:12:34
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