Durch Zufall bin ich auf diesen alten Beitrag gestoßen und würde dazu gerne meine Gedanken teilen, da dieser Säbel in mein eigenes Sammelgebiet fällt. Vielleicht ist es für den ein oder anderen zukünftig relevant.
Vorweg muss gesagt werden, dass diese Art von Säbel bisher in sowohl der polnischen, als auch ungarischen Literatur recht stiefmütterlich behandelt wird. Ganz zu schweigen von Autoren anderer Regionen.
Kurz zum Säbeltypus
Es handelt sich der Form nach um einen Säbel aus der "Familie" der Husarensäbel, welche aber auch in Osteuropa für das Fechten gebraucht wurden und deswegen durchaus kürzer und leichter ausfallen konnten. Die Anfänge dieser Waffe reichen in Europa sicherlich bis in die Hälfte des 15. Jhd.. Man siehe z.B. das Gemälde "Schlacht bei Orscha" von ca. 1514 wo dargestellt wird, dass große Teile der polnischen Kavallerie schon mit Säbeln husarischer Art ausgestattet sind. Erwähnenswert ist hier der parallele Einsatz von Husaren und "Rittern" (schwer gepanzerter Lanzenkavallerie - nicht der Stand ist gemeint).
Blankwaffenchronologisch muss diese Art von Säbel auf jeden Fall auf die Zeit nach S. Batory (gest. 1586) datiert werden. Vor Batory benutzte die Kavallerie ungarisch modifizierte "Delisäbel". Der "Deli" war das osmanische Pendant oder evtl. sogar Vorläufer des Husaren.
Ikonographisch lässt sich dank der
Stockholmer Rolle das Aufkommen dieses Säbels tendenziell ebenfalls nach ca. 1605 datieren. Zur Zeit Bathorys und bis hinein in die Regentschaft Sigismund III dominierte ein relativ schwerer ungarischer Säbel die Blankwaffenlandschaft. Diese Säbel hatten sehr lange Parierstangen und Kreuzeisen und besaßen den typischen mandelförmigen Knauf welcher noch anfang des 19. Jhd. Verwendung fand. Dieser typische ungarisch-polnische Husarensäbel wurde bis ca. 1700 genutzt.
Nun muss man für die Idee offen sein, dass anders als bei Blankwaffen der späten Neuzeit wo ein Modell das andere ablöste bis zu den ersten Regulierungen viele verschiedene Säbeltypen parallel hergestellt und benutzt worden sind. Das macht die genaue Datierung dieser Säbelform so schwierig. Mit "genaue Datierung" meine ich, wenn ich in Jahrzehnten denke.
Ich denke, dass man davon ausgehen kann, dass dieser hier von dem Nutzer vorgestellte Säbeltypus der gleichen Evolution folgte wie alle Blankwaffen, nämlich einer Vereinfachung und evtl. Ökonomisierung vorangegangener Formen. Diese Vereinfachung war meist eine Folge der Notwendigkeit von Massenproduktionen während Konflikte andauerten: Im 17. Jhd. war dies natürlich der
Dreißigjährige Krieg. Ich gehe deshalb sehr stark davon aus, dass dieser (sehr einfache) Säbeltypus zwischen 1618 und 1648 entstand und seine "Blütezeit" erlebte.
Auf Grund der rudimentären (von einem anderen Nutzer als "primitiv" beschimpft) Bauweise sind wir hier sicherlich noch vor ca. 1660, als die ersten typischen Bügelgefäße auf Husarensäbeln von den Polen genutzt worden sind. Die Ungarn sind diesbezüglich relativ lange ihrem "offenem Gefäß" treu geblieben, tendenziell bis hinein in die erste Hälfte des 18. Jhd.. Bis zu diesem Zeitpunkt (ca. Mitte 17. Jhd.) gab es grob gesagt die Palette "L-Gefäß", "offenes Gefäß" (simple Parierstange) oder "offenes Gefäß mit Kette".
Warum er nicht früher genutzt wurde, wurde schon beleuchtet. Später passt auch eher nicht, da nach und nach reguliert wurde, mehr Stücke verknüpft mit bedeutenden Ereignissen eine ganz andere Bauweise aufweisen und schlicht keine (bekannten) ikonographischen Quellen dazu vorhanden sind. Zusätzlich ist eine generelle Produktionstendenz in Europa zu erkennen die einen anderen durchgängigen "Stil" aufweist.
Als Nachtrag auf Grund von späteren Nachforschungen in der Literatur sei hier der Hinweis gegeben, dass W. Kwasniewicz in "Dzieje szabli w polsce" (Bellona Verlag) diesen Säbel auf besagter Stockholmer Rolle zu erkennen glaubt. Um genau zu sein soll er spezifisches Ausrüstungsteil der Husarenkompanie des Wojewoden Posens gewesen und außerhalb des Königreichs Polen von Hajduken benutzt worden sein. Nachprüfen kann ich dies bis dato nicht, aber erwähnen sollte man es.
Diese Art von Säbel dürfte ein Allrounder gewesen sein, der sowohl in Polen-Litauen, als auch in Ungarn oder angrenzenden Gebieten eingesetzt wurde. Die einzigen Stücke die Inskriptionen aufwiesen und mir bekannt sind waren polnischen Ursprungs ("Stephanus Batori Rex"; derselbe war nur in Polen-Litauen König // CAVE: Inschriften oder Ikonen von Batory oder Sigismund III Wasa wurden bis ins 19. Jhd. auf polnischen Klingen verwendet, daher die Namen "Batorówka" und "Zygmuntówka" *). Die Theorie von Dolleczek, dass diese Säbel von Zigeunern gefertigt wurden wüsste ich gerne belegt. Andernfalls würde ich sie schlichtweg auf Grund mangelnder Hinweise verwerfen. Die Schlichtheit dieser Säbel kann man besser mit Zeit- und Ressourcenknappheit erklären.
Zu dem Stück von Nutzer "einbaum"
Nachdem wir die Zeit und den Kontext dieses Säbeltypus etwas analysiert haben, schließt sich nun die Analyse der hier vorgestellten Exemplars an. Dabei orientiere ich mich nicht nur an vergleichbaren Stücken der selben Art, sondern an parallel in der der selben Region existierenden Stile und Fertigungsweisen für bestimmte Einzelteile.
Die Scheidenbeschläge sind untypisch für die Zeit. Diese waren modellierter, größer (v.a. der unterste Scheidenbeschlag war zu der zeit viel länger). Die Scheidennaht tendierte dazu auf dem Rücken platziert zu sein, hier ist sie mittig auf der Quart. Morphologisch sieht das Leder nicht altersgemäß aus. Die Messingteile weisen an sehr schwer zu reinigenden Stellen wenig bis keine Oxidation auf. Ein Umstand der Demontage und Reinigung oder eine spätere Fertigung indiziert (in Anbetracht des verm. Lederalters eher das Zweitere). Die Scheidenkonstruktion verjüngt sich zum Ort hin, ebenso eine Atypie welche im Gegensatz zum Großteil der Referenzen steht. Die dekorativen Elemente sind bei diesem Stück zu vernachlässigen, im Vergleich aber sehr viel einfacher ausgeprägt als sonst Usus.
Ich gehe von einer neueren/neuen Scheide aus.
Die Klingengeometrie erscheint im Grunde zeitgemäß, wenn man einen massiven Abschliff voraussetzt. Wie Thomas anmerke, waren die Klingen zum Ort hin mindestens genau so breit wie das Ricasso, wenn nicht noch breiter. Dies kann bei Originalen durch Abschliff nach intensiver Nutzung verloren gegangen sein. Dies kann man anhand der Fotografien nicht eindeutig feststellen. Die Schmiedemarke, mir unbekannt, erscheint legitim. Das Fehlen von jeglichen Hohlkehlen (günstigere Klinge) passt zur schlichten Ausführung aller anderen Teile.
Die Parierstange erscheint in ihrer Machart zeitgemäß, jedoch ohne die typischen Mitteleisen, die Husarensäbel aller Art bis in die zweite Hälfte des 18. Jhd. begleiteten. Entweder eine sehr sparsame Fertigung oder Kopie. Auf Grund der "pommelwärts" gebogenen Parierstange könnte man eine intensive Nutzung attestieren, dies sehe ich jedoch auf Grundlage des unverbrauchten (/nicht abgeschliffenen) Ricassos eher nicht. Parierstangen waren grundsätzlich gerade oder nach ortwärts gebogen. Ich tendiere deswegen zur Bewertung des Gefäßes als Kopie. Weniger wahrscheinlich wären andere Einflüsse, aber denkbar.
Das Griffleder erscheint zu intakt im Gegensatz zur Korrosion der Parierstange. Wegen dieser Diskrepanz gehe ich von einer Ergänzung/Kopie aus. Die Messingelemente des Griffes (Kappe, Kette) erscheinen ohne jegliche Korrosion. Messing ist nicht so leicht zu reinigen wie man denkt und speziell an Kanten oder in Rillen ist Oxidation sehr hartnäckig. Ich würde an dieser Stelle ebenfalls von einer späteren Fertigung ausgehen.
Konklusion
Meiner persönlichen Meinung nach handelt es sich auf Grundlage der in den einzelnen Punkten aufgeführten Argumente höchstwahrscheinlich um eine Kopie unter der Verwendung einer evtl. originalen Klinge. Weniger wahrscheinlich, aber denkbar, ist ein originaler Säbel der auseinandergenommen, intensiv gereinigt und wieder zusammengesetzt und mit einer neuen Scheide versehen wurde. Ein Original in unberührtem Zustand ist meiner Meinung nach auszuschließen.
* Der Terminus "Batorówka" wird fälschlicherweise oft für Säbel ungarischer Art aus der Zeit von Stefan Batory verwendet. Er bezeichnet korrekterweise einen Säbel mit einer Klinge die Batory gewidmet ist. Selbes gilt für "Zygmuntówka" im Kontext von Sigismund III Wasa.