B L A N K W A F F E N
DAS FORUM FÜR SAMMLER & INTERESSIERTE
unter dem Dach der
Deutschen Gesellschaft für Heereskunde e.V.
 
 
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Puck

(Mitglied)

Hallo,

ich möchte Euch einen Preußischen Geschenk-IOD n/M vorstellen, den ich schon sehr lange habe, aber bei dem es mir erst vor kurzem gelungen ist, herauszufinden, wer hat den Degen geschenkt, und wer hat ihn geschenkt bekommen.

Beschreibung des Degens:
GL ohne Scheide: 960 mm
KL: 805 mm
KB: 30 mm

Gefäß:
ursprünglich vergoldetes Messing-Bügelgefäß mit festem Stichblatt (s. Katalog „Weyersberg, Kirschbaum & Cie.- Solingen“, Bild Nr. 6) und Horngriffhülse.
Da das Stichblatt zerbrochen war und die eine Hälfte mit dem Bügel fehlte, habe ich vorläufig ein anderes eingesetzt.
Auch das Herrschermonogramm und die Silberdrahtwicklung des Griffs fehlten. Habe beides ersetzt.
In der Griffhülse unterhalb des Herrschermonogramms sind noch zwei Bohrungen. Ich dachte ursprünglich, dass dort ein Gardestern aufgesteckt war. Da es sich aber, wie sich rausstellte, um den Degen für einen Offz. eines Jägerbataillons handelt, wird ein „Jägerhorn“ zusätzlich aufgesetzt gewesen sein.
(s. „Infanterie-Offiziersdegen 1889 und Varianten“ S. 52 und Beitrag v. „jensen81“ „Jäger IOD ???“ v. 20.11.07 unter Preußen ab 1815.)

Klinge:
Hersteller: Weyersberg, Kirschbaum und Co. (Stempel auf Fehl-schärfe Terzseite; Königshaupt und Ritterhelm – W.K.&C. (Stempel auf Fehlschärfe Quartseite;
Händler: Carl Stahl Cassel (Ätzung auf Klingenrücken);
Außerdem Ätzung auf Klinge: Eisenhauer Damast-Stahl
Geschenkätzung vergoldet auf gebläutem Grund:
- Schneidewind s/l. Moldenhauer -

Scheide:
Stahlscheide vernickelt mit zwei Ringbändern/Trageringen


Ausgangspunkt für die Namensfeststellung von

Fritz Schneidewind und Siegfried Moldenhauer

waren die Ranglisten der Königlich Preußischen Armee. Ich konnte zusammenhängend in alle Jahrgänge Einsicht nehmen und hatte mich vom letzten Band (6.5.1914)rückwärts durch die einzelnen Bände „gekämpft“ und alle Schneidewind und Moldenhauer (Es gab pro Jahrgang immer mehrere) mit Einheiten, Dienstgrad, Auszeichnungen und Seitenzahl usw. rausgeschrieben. Leider sind dort nur die Familiennamen verzeichnet.
Im Band von 1891 tauchten erstmals die „Second Lieutnants“
- Schneidewind (Hannoversches Jägerbataillon Nr. 10) und
- Moldenhauer (Hessisches Jägerbataillon Nr. 11) auf, so dass zu vermuten war, dass beide dieselbe Kriegsschule absolvierten und anschließend in den benachbarten Jägerbataillonen dienten.

Als Kriegsschule vermute ich die in Kassel (damals Cassel), da die Händleranschrift auf dem Klingenrücken Carl Stahl Cassel lautet und das Casseler Adressbuch von 1891 eine Militäreffektenhandlung Carl Stahl in der oberen Königstraße ausweist.
Die Kriegsschule in Kassel wurde 1943 bei einem Bombenangriff zerstört, und ich konnte in keinem Archiv Unterlagen zu dieser Kriegsschule finden.

In den Ranglisten konnte ich den weiteren militärischen Werdegang der beiden Jägeroffiziere stichpunktartig verfolgen und mein Ehrgeiz war nun geweckt, so viel wie möglich über die Lebenswege von F. Schneidewind und S. Moldenhauer in Erfahrung zu bringen.
Durch Kontakte zu verschiedenen Archiven, Museen, Stadtverwaltungen, der „Kameradschaft Marburger Jäger – 2. PzGrenDiv FfS e.V.“, Privatpersonen sowie dem Studium von „Erinnerungsblättern Deutscher Regimenter“ u.ä. Literatur, Adressbüchern usw. ist es mir gelungen, wesentliche Lebensdaten von Schneidewind und Moldenhauer zu erstellen. In Freiburg i. Br. und in Marburg hatte ich Fotos von früheren Wohnhäusern der beiden Offiziere gefertigt.

Zu meiner größten Freude konnte ich sogar Fotos von beiden Jägeroffizieren bekommen:

- F. Schneidewind – vermutl. als Kommandeur des Großherzoglich Mecklenburgischen Reserve-Jägerbataillon Nr. 14, zu Beginn des 1. WK mit EK 1. Kl. (aus „Unsere Taten und Fahrten – Das Großh. Mecklenb. Res.-Jäger-Batl. Nr. 14 im Weltkrieg 1914/18“, Oldenb./Bln.1929

- S. Moldenhauer – Foto vermutl. vor 1907, (aus „Geschichte d. Kurhess. Jäger-Bataillons Nr. 11“ 1. Teil, v. S.Moldenhauer, neu bearbeitet und Foto eingefügt v. Herrn Erwin Schermuly von der „Kameradschaft der Marburger Jäger“.

Die Erlaubnis zur Veröffentlichung im Forum liegt vor.

Das Bild stammt aus einem Album mit Fotos vermutl. von
einem Manöver. S. Moldenhauer ist dort mehrfach abgebildet.
Das Album ist in Besitz von Herrn Marc Falinski von der „Kameradschaft der Marburger Jäger“.



Leider ist es mir bisher nicht gelungen:
- … herauszufinden, aus welchem Grund oder Anlass der Degen
geschenkt wurde.

- …noch lebende Nachfahren beider Offiziere ausfindig zu
machen.

- …den Weg des Geschenkdegens, bis ich ihn vor vielen Jahren ertauschte, zu verfolgen.

Meine Bitte – falls jemand mal ein o. g. Gefäß „fein zisiliert“ und ein Jägerhorn als zusätzliche Griffauflage abzugeben hat, wäre ich sehr dankbar.

An dieser Stelle – vielen Dank an „Schwertfeger“,
„ulfberth“ und „limone“ für ihre hilfreichen Tips zu der Recherche.


In Stichworten die Lebensläufe v. Schneidewind u. Moldenhauer

Fritz SCHNEIDEWIND
geb. 31.05.1870 Gut Werna(Harz)
verheir., 2 Töchter
gest. 02.06.1930 in Freiburg i. Br.


- 1891 – 1903 Sec. Lieut. im Hannoverschen Jägerbat. Nr. 10
in Colmar und Bitsch (ab 1902 bei einer MG-Abt.)
- 1904 – 1906 Ostasiatische Besatzungsbrigade, 2. Inf.-Rgt.
(Tientsin) Führer einer MG-Abt. beim 1. Bat.
- danach bis Beginn 1. WK - Großherzogl. Mecklenburgisches Jägerbataillon Nr. 14, MG-Abt. Nr. 9 in Colmar i. E.
- 31.07.1914 Verabschiedung als Kompaniechef der
2. Kompanie
- 02.08.1914 (Beginn 1. WK) Übernahme des 14. Reserve-
Bataillons als Kommandeur.
Er war einer der ersten, der im WK für Kämpfe
in den Vogesen das EK 1. Kl. verliehen bekam.
- 07.10.1914 Er geriet bei Fricourt in Französische
Gefangenschaft, als er mit Truppenteilen
nachts im Wald Durchbruchmöglichkeiten durch
feindliche Linien erkundete.
- über den Zeitraum seiner französ. Gefangenschaft (welches Lager usw.) habe ich keine
Information.
Offenbar hatte er die Gefangenschaft unbeschadet überstanden.
- Nach dem 1. WK diente er in der Reichswehr
bei verschiedenen Infanterie-Regimentern.
- 1919 Major und Bataillons-Kommandeur im RW-Rgt. 110
- 1920 Major in einer Stabsoffz.-Stelle im Inf.-
Rgt. 20
- 1920 Major in einer Stabsoffz.-Stelle im Inf.-
Rgt. 17
- 1921 – 1922 als Oberstltn. in einem Batl.-Stab
- 1923 ist Schneidewind nicht mehr in der
Ranglisste des Deutschen Reichsheeres
aufgeführt.

- 01.09.1923 Er zieht als Oberst a.D. mit Ehefrau und
Tochter von Celle nach Freiburg i.Br.,
Bürgerwehrstr. 10, wo er eine 5-Zimmer-Whg.
im 2. Stock einer Stadtvilla bewohnt.
- 1930 Anfang Juni wollte die Familie Schneidewind nach Baden Baden umziehen.
Doch noch vorher, am 02.06
verstarb Fritz Sch. im Alter von 60 Jahren.



Siegfried Waldemar Wilhelm MOLDENHAUER
geb. 07.01.1871 in Bromberg (heute Polen)
verheiratet, 2 Kinder
gest.10.05.1958 in Marburg

- 01.10.1890 Einjährig Freiwilliger beim Jäger-Bataillon
Nr. 11, anschl. Offiziersaspirant, dann
Portepee-Fähnrich
- 17.11.1891 Sek. Lieut. im Hess. Jägerbat. Nr.11
in Marburg
- 22.07.1900 Beförd. Oltn.
- 30.09.1900 Adjudant und Gerichts-Offz. im Bataillon
- 01.10.1900 – 01.11.1902 Adj. u.z.Bezirks Kdo Mühlhausen/Th.
- 01.10.1904 z. Generalstab XI. Armeekorps
- 18.05.1907 – 1912, Hauptmann, Kompaniechef, später
Platzmajor im Großherzogl.Mecklenburg.
Jägerbat. Nr. 14 in Colmar i. E.
- 1907 erschien von S. Moldenhauer „Offiziersstamm-
liste des Kurhess. Jäger-Bataillons Nr. 11
(1813 - 1907)"
- 1913 diente er kurzzeitig im Jägerbat. Nr. 14 und
dürfte dort F. Schneidewind getroffen haben.
Danach kommandiert zum Bekleidungsamt.
- 1913 erschien von S. Moldenhauer „Geschichte des
Kurhess.Jägerbataillons Nr. 11 – I. Teil“
- 1914 Bekleidungsamt d. VIII.u.X. Armeekorps Hannover
- im 1. WK über seinen militär. Einsatz leider keinerlei
Kenntnisse,
- nach dem 1. WK - Wechsel vom Militärdienst zur Reichspost
- 1931 In der Mitgliederliste der „Vereinigung d.
Offiziere des ehemal.Kurhess. Jägerbat. Nr. 11“
wird er als Oberstltn. a.D. und als
Postdirektor in Finsterwalde(Niederlausitz)
geführt.
- 1935 Lt. Eintrag im Adressbuch v. Finsterwalde
wohnte S. M. in der dortigen Adolf-Hitler-Str.
43a (Dienstwohnung im Postgebäude)
- 1936 – 1958 (65. Lebensjahr, Jahr seiner Pensionierung?)
bis zu seinem Tode wohnte er mit seiner Frau
in Marburg, seiner früheren Garnisonsstadt, in
der dortigen Frankfurter Str. 66.


viele Grüße, Hans







08.04.11, 16:17:51

ulfberth

(Moderator)

Ein vorzüglicher Beitrag! Kann ich ihn auch in der Zeitschrift für Heereskunde lesen? lachen

Gruß

ulfberth


www.seitengewehr.de
08.04.11, 17:23:46

Michael04

(verstorben)

Hallo Forum,
der Beitrag hat mir sehr gut gefallen.
Hier noch eine alte Postkarte vom Trp.Übplatz von Bitsch aus der Zeit.
Scan darf vom Ersteller des Beitrags als auch vom Forum verwendet werden.
Grüße Michael

08.04.11, 17:50:39

Zietenhusar

(Supporter)

Vielen Dank, Hans,

für die mühevolle Recherche und die Veröffentlichung des Ergebnisses bei uns im Forum.

Gruß,
Thomas

08.04.11, 20:58:48

Puck

(Mitglied)

Hallo,

ulfberth, Michael04 und Thomas, habe mich über Euer Interesse gefreut, danke.

Michael04, danke für die AK des Übungsplatzes. Der Standort des 10. Jägerbataillons war etwa 1901 von Colmar nach Bitsch verlegt worden.

ulfberth, Deine Frage kann ich erst mal nicht beantworten.

Ich versuche noch die fehlenden Informationen zu beiden Offz. herauszufinden. Evtl. kann ich dann kurz ergänzen.

Viele Grüße, Hans

11.04.11, 00:27:42

limone

(Super-Moderator)

Zitat von Puck:
Im Band von 1891 tauchten erstmals die „Second Lieutnants“
- Schneidewind (Hannoversches Jägerbataillon Nr. 10) und
- Moldenhauer (Hessisches Jägerbataillon Nr. 11) auf, so dass zu vermuten war, dass beide dieselbe Kriegsschule absolvierten und anschließend in den benachbarten Jägerbataillonen dienten.

Als Kriegsschule vermute ich die in Kassel (damals Cassel), da die Händleranschrift auf dem Klingenrücken Carl Stahl Cassel lautet ...


Hallo Hans,

bei Deiner Recherche bleibt wirklich kein Auge trocken! Wenn das denn alles so war, gehört der Degen aber doch eindeutig nach Kassel, oder? zwinkern


Noch ein paar Querverweise auf ergänzende Beiträge im Forum (einfach anklicken):

- Kriegsschule Cassel

- Kurhessisches Jägerbataillon Nr. 11, Garnison (seit 1887 wieder:) Marburg

- Carl Stahl, Cassel



Grüße

Carsten


     Fröhlich sein, Gutes tun, und die Spatzen pfeifen lassen...
11.04.11, 19:49:09

limone

(Super-Moderator)

Hallo Hans, noch ein Nachbrenner:

Nach Deinen Vorgaben habe ich in der Ehrenrangliste (Mittler & Sohn, Berlin 1926) die Angaben über Schneidewind und Moldenhauer betreffend ihrer Verwendung 1914 und ihrem letztem Dienstgrad bestätigt gefunden (s.u.). Die Ehrenrangliste berücksichtigt die letzte offizielle Rangliste der "alten Armee" 1914 sowie die Ranglisten des Reichsheeres bis einschl. 1925.


Grüße

Carsten


     Fröhlich sein, Gutes tun, und die Spatzen pfeifen lassen...
11.04.11, 20:55:02

Puck

(Mitglied)

Hallo Carsten,

ich denke schon, dass alles so war, und obwohl dabei Kassel eine Rolle spielt, fühlt sich der Degen auch in Berlin sehr wohl zunge raus .
Im übrigen sind Deine Fotos von der Kriegsschule Kassel (vor und nach der Zerstörung) Spitze.

Leider enthielten die Tagebücher und Briefe (Bundesarchiv Freiburg) des Vaters von S. MOLDENHAUER (Militärpfarrer) keine Informationen zur Militärausbildung seines Sohnes.

Die "Ehrenrangliste..." hatte ich auch einsehen können und mich gefreut, auf was für Dokumente man heute noch so zurückgreifen kann.

Beste Grüße, Hans





11.04.11, 23:51:29

limone

(Super-Moderator)

Zitat von Puck:
...obwohl dabei Kassel eine Rolle spielt, fühlt sich der Degen auch in Berlin sehr wohl zunge raus .


Das hatte ich befürchtet... traurig

Na ja, der Degen wird's verkraften; in Berlin soll es ja auch ganz hübsch sein, habe ich gehört, obwohl sich dort wohl einiges verändert hat, seit mein Urgroßvater da nicht mehr nach dem Rechten schaut... lachen


Gut's Nächtle

Carsten




     Fröhlich sein, Gutes tun, und die Spatzen pfeifen lassen...
12.04.11, 00:35:56

Puck

(Mitglied)

Hallo Carsten,

was Berlin betrifft, hast Du richtig gehört, und bestimmt hat sich seit der Zeit Deines Urgroßvaters hier einiges verändert - musst Dich mal selbst davon überzeugen.

Gleichfalls geruhsame Nacht,

Hans

12.04.11, 23:47:20
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