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corrado26

(Super-Moderator)

Großherzogtum Cleve-Berg
Pistole 1808 für die berittene Gendarmerie

Mittelbrauner Nussbaum-Vollschaft mit Messingbeschlägen, diese bestehend aus rechtsseitig federarretiertem, doppelbündigem Laufring ohne Öffnung für einen Ladestock, gewölbtem Schlossgegenblech für zwei Schrauben, Kolbenkappe und einteiligem Abzugsbügel, Steinschloss nach französischem Vorbild M an 9 mit gewölbtem Herzhahn und gegossener Messingpfanne, auf dem Schlossblech außen die Herstellersignatur „Fabrick in Esßen“, darüber Kontrollstempel „*“. Dieser Stern findet sich sowohl an der Laufoberseite als auch an der Schlossplatte innen. Sehr gute Schlossfunktion. Runder, am Pulversack seitlich abgeflachter Lauf ohne Visiereinrichtung.
Gesamtlänge 370mm, Lauflänge 211mm, Kaliber des glatten Laufs 14,7mm

Das kleine Laufkaliber zusammen mit dem Umstand, dass die Pistole keinen eigenen Ladestock besitzt, lässt nur den Schluss zu, dass diese Waffe nicht für die Kavallerie, sondern für eine Gendarmerietruppe gefertigt wurde, die auch noch über einen Karabiner verfügte, also beritten war.

Das Großherzogtum Cleve-Berg war im Dezember 1805 von Napoleon aus von Preußen und Bayern abgetretenen Landesteilen geschaffen worden. Seine Hauptstadt war Düsseldorf und es wurde anfänglich von Napoleons Schwager Joachim Murat regiert. Als Murat im Juli 1808 auf den spanischen Kriegsschauplatz abberufen wurde, übernahm Napoleon selbst die Herrschaft in Düsseldorf. Mit der ihm eigenen Dynamik begann er sofort, das großherzogliche Militärwesen seinen kaiserlichen Erfordernissen anzupassen. Nach entsprechender Vorlage des amtierenden Innenministers Graf Nesselrode entschied Bonaparte im August 1808, daß das Großherzogtum eine Infanteriebrigade à drei Regimenter, ein Regiment Kavallerie und ein Bataillon Artillerie sowie zwei Kompanien Veteranen zur Rheinbundarmee zu stellen habe. Gleichzeitig wurde im Laufe des Jahres 1808 eine Gendarmerietruppe errichtet, deren Hauptaufgabe darin bestand, Deserteure einzufangen und Militärdienstverweigerer ausfindig zu machen. Unter der Führung eines Elsässers mit Namen Fittreman kam diese Gendarmerielegion ihrem Auftrag im ständigen Kampf mit den Einwohnern nach. Zur Ausrüstung der Gendarmen lieferte die in Essen neu errichtete und seit Februar 1808 arbeitsfähige Gewehrfabrik der Herren Pieul und Pelletier aus Lüttich eine nicht näher bekannte Anzahl von Gendarmeriepistolen, die offensichtlich Teil einer 6000 Militärwaffen umfassenden Bestellung war.
Während die in den Jahren 1808 und 1809 für die cleve-bergische Gendarmerie zu Fuß gefertigten Pistolen sich deutlich an den französischen Vorbildern des Modells an9 orientierten, fertigte die Fabrik in Essen für die berittene Gendarmerie offensichtlich ein völlig eigenständiges Muster. Die Herstellersignatur „Fabrick in Esßen“ belegt, daß die Pistole vor November 1809 gefertigt wurde. Erst ab diesem Monat durfte sich die Waffenfabrik ab der Erteilung des kaiserlichen Privilegs „großherzoglich“ nennen und signierte folglich ab dieser Zeit mit „Manufacture Grande Ducale“. Da auch erst ab dieser Zeit das strikte französische Kontrollsystem in der Waffenfabrik aktiviert wurde, findet man an der vorliegenden Pistole natürlich keine entsprechenden Kontrollstempel oder gar eine Modellbezeichnung.


30.07.09, 11:33:41

corrado26

(Super-Moderator)

......und noch ein paar Fotos dieser recht seltenen Pistole aus der napoleonischen Zeit
Gruß
corrado26

30.07.09, 11:35:11

ulfberth

(Moderator)

Hierzu auch eine interessante Veröffentlichung von Alwin Reiche über "die ersten, zivilen berittenen Polizisten, welche nur dem Landtag und nicht mehr dem Militär unterstellt waren." Der dort gespannte Bogen reicht bis ins Großherzogtum Berg.

Polizei- und Landesgeschichte der Herzogtümer Jülich und Berg sowie für Pfalz-Neuburg, Bayern und das Königreich Westfalen.

Gruß

ulfberth


www.seitengewehr.de
30.07.09, 13:41:51

ulfberth

(Moderator)

Quelle: Roland Schoenfelder, Karl Kasper und Erwin Bindewald; Vom Werden der deutschen Polizei. Ein Volksbuch. Verlag Breitkopf & Härtel, Leipzig 1937.

Gruß

ulfberth


www.seitengewehr.de
26.07.10, 14:42:23
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